Flugsafari in die Masai Mara
- Bernd
- 23. März
- 8 Min. Lesezeit
Darf´s etwas mehr sein?
Ort: Oloshaiki Camp, Masai Mara, Kenia
Ich möchte Euch heute von einer ganz außergewöhnlichen Flugsafari, die ich zusammen mit Pearl unternommen habe, erzählen. Es war im Chaosjahr, als mein Haus am Diani abbrannte. Und die Geschichte unserer ersten Flugsafari geht so:
2009

Pearl und ich entscheiden uns für eine Flugsafari in die Masai Mara. Von Diani bzw. Ukunda fliegen wir zum Oloshaiki Camps am Talek Fluss, das uns als Stützpunkt dient. Ich habe mir eigens dafür ein paar nagelneue Camel Boots mitgebracht. Man weiß ja nie, ob man auf eine Schlange trifft. Festes Schuhwerk kann da nicht schaden. Von den niedlichen Insekten, die nachts überall auf dem Boden herumkriechen, ganz zu schweigen.

Vom Camp aus wollen wir in einer Vier-Tages-Tour die nähere Umgebung entdecken. Ken, unser Fahrer, ist ein junger Massai und holt uns direkt an der Landepiste ab. Auf dem direkten Weg bringt er uns ins Camp. So wie es aussieht, sind wir beide die einzigen Gäste für diese Tour. Ken gibt uns auf dem Weg zum Camp eine kurze Einweisung.

Die Unterhaltung in Englisch ist unproblematisch. Er ist etwas verunsichert, wie er uns später mitteilten wird. Nicht alle Gäste sind "open minded", viele kommen schon gestresst hier an, sagt er. Sie erwarten innerhalb kürzester Zeit ein Maximum an Tiere. Manchmal fehlt den Gästen die Sensibilität für das Land.
Du Schlange, du!

Im Oloshaiki Camp schauen wir uns erst einmal um. Soviel Comfort haben Pearl und ich gar nicht erwartet. Bei unserem Lunch, unter einem schönen Baum und mit Blick auf den Fluss, befolgen wir Kent´s Ratschlag der Entschleunigung. Im Urlaub eigentlich überflüssig und doch sind die meisten bei so einer Tour gestresst. Also beginnen wir uns zu entspannen.
Die Kellner sind alle sehr freundlich und aufmerksam. Weshalb mich einer so auffallend fixiert, ist mir zunächst schleierhaft, aber kurz darauf nachvollziehbar. Direkt über meinem Kopf baumelt eine nicht allzu große, giftgrüne Schlange auf einem Ast. Ein anderer Kellner gesellt sich zu dem ersten, beide kommen langsam auf mich zu. Auch Pearl ist etwas irritiert.
Haben wir etwa vergessen zu bezahlen? Erst jetzt stellen wir fest, das ihre Aufmerksamkeit nicht uns gilt. Ruckzuck packen Sie das Reptil und verschwinden dezent hinter dem Gebäude. Wie sich heraus stellt, handelt es sich um eine Philothamnus, auch einfach nur grüne Schlange genannt. Sie ähneln ein wenig der grünen Mamba, was sie oftmals mit ihrem Leben bezahlen müssen. Diese Safari fängt gut an. Wir sind gespannt, was noch kommt.
Ohne Worte

Ganz früh am nächsten Morgen holt uns Ken mit seinem Geländewagen von der Lodge ab. Es ist 6 Uhr morgens, eigentlich noch mitten in der Nacht. "Der frühe Vögel fangt die Sturm!" meint er sichtlich stolz auf Deutsch. Das muss ich korrigieren: "Wurm." "What?" "Der frühe Vogel fängt den Wurm."
"No problem!"

Wir haben Glück. Die ersten beiden Tage sind Pearl und ich alleine. Übermorgen sollen noch zwei Gäste hinzu kommen. Ken ist lustig. Jung, hochgewachsen wie die meisten seines Volkes, schlagfertig, ganz und gar mit dieser Gegend vertraut.
Die Pirschfahrt ist kurzweilig. Ken erklärt uns die Situation hier. In den vergangenen Jahren regnete es nicht genügend. Viele der Tiere verendeten. Tausende.
Über der ganzen Savanne lag der Geruch von Tod und Verwesung. Auch die Herden der Massai sind bis heute dezimiert. Ein Festmahl für die Geier. Die Viehherden der Massai stehen in zunehmender Konkurrenz mit den freilebenden Tieren.

Dinner for three
Wir haben Glück an diesem Tag. Das Wetter ist optimal: Sonne und Wolken wechseln sich an diesem Morgen ab, versprühen spektakuläre Farben inmitten dieser grandiosen Landschaft. Etwas Besonderes erwartet uns an diesem noch frischen Morgen. Wir werden in der Wildnis ein spätes Frühstück einnehmen und etwas tun, was man normalerweise nicht machen sollte: Wir verlassen das schützende Fahrzeug und steigen aus.

Ken wählt einen Platz unter einem Baum, räumt Tisch samt Tischtuch aus dem Wagen. Hoffentlich werden wir nicht selbst zum Frühstück irgendwelcher Großkatzen. Wie ist das mit der Nahrungskette nochmal?

Immerhin ist das Gelände für unser Picknick gut gewählt: flach, weit einsehbar. Andrerseits wäre es nicht das erste Mal, dass eine kleine Gruppe, abgelenkt von Tratsch und Klatsch, plötzlich und unerwartet angegriffen wird.
Leben und Tod sind hier im Nationalpark Geschwister. Aber ich bin Optimist, bei mir ist das Glas immer halb voll.
Heute gehört jeder Moment zum touristischen Highlight, der sich ins Gehirn festsetzt: Erlebnisse, Stimmungen, Farben, Gefühle und Gerüche, die uns niemand mehr nehmen kann.

Wir sind Teil von etwas Großem, weit weg der Disney-Plastik-Abenteuer-Welten. Hier ist nichts Künstliches, keine Endlosberieselung durch Musik und Lärm, keine aufdringliche Bespaßung, kein Anstehen in der Menge, kein Gedränge. Das Leben hier, inmitten dieser Filmkulisse, ist auf einmal authentisch.
Ich wünsche mir in diesem Moment menschenleere Schutzgebiete. Keine Proleten, kein akademischer Narzissmus, auch keine Weltverbesserer, die in hippen Cafés in Berlin Mitte oder anderswo bei einem Latte Macchiato die Welt retten wollen.

Apropos Latte Macchiato. Pearl erzählt mir später, dass meine Tasse etwas verstaubt gewesen ist, die Ken kurzerhand ausgeblasen hat. Für die hartnäckigen Reste wischte er mit der Hand nach. Der Kaffee schmeckte trotzdem.
Wir erzählen uns Geschichten über das Leben unserer Welten, die unterschiedlicher nicht sein können. Und wir schweigen, genießen den Augenblick. Auch das will geübt sein: einfach mal die Klappe halten.
Wilde Tiere kuscheln nicht
Safaris sind immer wieder ein Erlebnis und bei Touristen extrem beliebt. Mitunter haben wir in unserer westlichen Wohlfühlwelt unseren natürlichen Instinkt für Gefahren verloren. Ken ist in dieser Hinsicht eine Bereicherung, der sein Wissen mit uns teilt.

Tierbeobachtungen in der freien Wildbahn unterscheiden sich grundlegend von unseren Zoobesuchen. Kein Zaun begrenzt den natürlichen Drang der Freiheit und des Umherziehens; kein Stumpfsinn hospitalisiert ihre Würde oder degradiert die Tiere zu Statisten. Etwa 500 Löwen leben noch in der Masai Mara. Sie wiegen stolze 130 bis 190 kg und können auf kurze Distanzen bis zu 80 km/h rennen.

Ken bringt uns zu einem fast vollständig mit Wasserpflanzen zugewachsenen Teich. In der Mitte lugt mit klugen, neugierigen Augen ein Flusspferd hervor, dass uns fixiert. Aber auch am Ufer halten sich einige Prachtexemplare auf. Ken achtet darauf, nicht die Distanz zu den Tieren zu verlieren. Die behäbigen Flusspferde können an Land bis zu 30 km/h schnell laufen. Wer hätte geglaubt, dass sie zu den gefährlichsten Tieren Kenias zählen. Also Abstand halten von den Happy Hippos.

Nicht weniger gefährlich sind Kaffernbüffel. Sie haben nichts, aber rein gar nichts mit unseren Hausrindern gemein. Bis zu 200 Menschen sterben jährlich durch Kaffernbüffel, weshalb sie auch unter der Bezeichnung "der schwarze Tod" bekannt sind. Sie erreichen eine Geschwindigkeit von über 50 km/h. Wenn ein Büffel angreift, folgen andere und dann wird es erst richtig ernst.

Am folgenden Tag regnet es Bindfäden. Es schüttet. Der Starkregen taucht alle Farben der Tage zuvor in ernüchterndes tristes Grau. Die Tiere der Wildnis bringen sich in Sicherheit oder ertragen das rettende Nass mit stoischer Gelassenheit. Auch Ken parkt den Wagen im Nirgendwo. Wir warten. In der Ferne läuft eine Gruppe Elefanten an uns vorbei und lässt sich berieseln. Endlich mal gutes Wetter, nach all der Trockenheit. Binnen weniger Minuten verwandelt sich die Steppe in eine Schlammlandschaft.
Wichtige Verhaltensregeln für eine Safari findet Ihr auch unter: https://www.skybirdfly.blog/post/teil-3-safari
Der Tag, an dem die Savanne alle Tiere verschluckt

Heute müssen wir frühzeitig zwei weitere Gäste von der Buschpiste abholen. Die beiden stellen sich als Unternehmerehepaar Olga und Sergej aus Polen vor. Sie nimmt auf der Rückbank ihren Platz ein, er entfernt meinen Rucksack vom Beifahrersitz und setzt sich neben Ken. Ich verzichte auf eine Diskussion und geselle mich zu Pearl und Olga. Sie haben diese Safari nur für einen Tag gebucht und fliegen am Abend wieder zurück.
Wir holpern stundenlang durch eine von all ihren Farben entleerte Savanne. Hier und da zeigt sich ein Warzenschwein. Das war es aber auch schon. Alle Tiere vom Vortag sind wie durch einen Zauber verschwunden, von der Erde verschluckt. Sergejs Laune ist auf einem Tiefpunkt angekommen. Er möchte Tiere sehen, schließlich haben sie dafür bezahlt. Betretenes Schweigen.

Vermutlich möchte Ken den beiden eine Freude bereiten. Kein Tier weit und breit. Er versucht auf andere Wege Adrenalin freizusetzen. Etwas Action kann jetzt nicht schaden.
Hormonstau
Der Motor heult auf. Was macht Ken? Er gibt Gas und beschleunigt! Es scheint, als wären wir auf der Flucht. Aber vor wem? Der mit 5 Erwachsenen besetzte Geländewagen jagt auf eine Uferböschung zu! Himmel! Er wird doch nicht todesmutig zum Sprung Richtung Wasserlauf ansetzen? ER WIRD DAS JETZT NICHT TUN! ABER DIE BÖSCHUNG KOMMT NÄHER UND NÄHER! ER BESCHLEUNIGT NOCH MEHR! Uiuiuiuiui!

Zu spät: Der Wagen hebt mit vier verdutzten Touristen beladen ab. Aber er fliegt nicht weit genug und klatscht am unteren Ende der vom Regen aufgeweichten Böschung in den Matsch. Ken gibt Gas. Er möchte um jeden Preis das misslungene Manöver beenden und die Schlammzone verlassen. Vergeblich.
Die Vorderräder drehen durch, versinken mehr und mehr im Schlamm. "Stopp it, Ken! No speed!" rufe ich. Er hält inne. Was jetzt? So kommen wir nicht von der Stelle. Wir sind zu schwer und müssen die Räder freilegen. Sergej besteht darauf, dass er und seine Frau im Wagen sitzen bleiben, dafür hätten sie nicht bezahlt. Viel zu gefährlich.
Pearl und ich steigen aus. Zusammen mit Ken schaufeln wir den Schlamm an den Rädern zur Seite. Nach ein paar Minuten steigt Sergej aus und trägt seine Frau ins trockene Gras. Gemeinsam schauen sie uns zu. Wir befestigen die Seilwinde an einen Baum. Ich stehe in der braunen Schlammbrühe, die man Wasser nennt. Jetzt brauche ich meine Schuhe auch nicht mehr auszuziehen.
Mit vereinten Kräften bekommen wir das Fahrzeug frei. Der Wagen sieht aus wie nach einer Rallye. Selbst auf den Vordersitzen ist Schlamm. Aber Ken ist sichtlich erleichtert. Wir steigen ein, diesmal setzt sich Sergej nach Hinten zu den Frauen. Den Schlammsitz überlässt er mir. Wir setzen unsere tierlose Safari fort. Aber fortan haben Pearl und ich bei Ken einen Stein im Brett.

Barfuß über Insekten
An diesem letzten Abend im Camp haben wir uns zum Dinner angemeldet. Natürlich habe ich keine Wechselschuhe dabei. Natürlich trocknen die matschigen und durchnässten Schuhe nicht in so kurzer Zeit. Natürlich ist das Leder steinhart und verzogen. Die Gäste des Restaurants sehen überrascht auf meine nackten Füße. Möglicherweise setzte ich gerade jetzt in diesem Augenblick neue Modetrends für gesundheitsbewusstes Outfit im Busch.
Etwas anderes bereitet mir wesentlich mehr Probleme: Nach Anbruch der Dunkelheit krabbeln überall Insekten auf dem Boden umher. Auch auf dem Weg zum Restaurantzelt und wieder zurück. Pearl leuchtet mir mit ihrer Taschenlampe den Weg. Somit kann ich den meisten dieser niedlichen Tierchen ausweichen, allerdings nicht allen, was zugegebenermaßen ziemlich eklig ist. Alles in allem ein gelungener Tag.
Die Rückkehr der Farben
Die Verabschiedung von Ken am nächsten Tag ist herzlich. Ich sage ihm, dass sein Wagen eine gründliche Reinigung gebrauchen könnte. Er kontert, dass es nicht so empfehlenswert sei, barfuß durch Afrika zu laufen. Humor ist die beste aller Währungen.

Wieder zurück am Diani Beach laufen Pearl und ich am Strand entlang. Das Meer leuchtet in den schönsten Farben. Wir blicken zurück auf ereignisreiche wie kenntnisreiche Tage. Nichts lässt sich erzwingen, kein Geld der Welt garantiert die Erfüllung aller Träume. Schon gar nicht ohne ein paar Gänge herunter zu schalten.
Afrika ist, zumindest außerhalb der Metropolen des schwarzen Kontinents, anders getaktet. In der Ruhe liegt die Kraft. Pole-pole, sagen die Kenianer.
Und so lassen wir bei einem Glas Rotwein die Sonne spektakulär am Horizont versinken. Bevor die Nacht das Land bedeckt, taucht sie den Himmel in leuchtend warme Farben. Wir nehmen sie dankbar in unsere Herzen auf.

Link zur Villa Massai
Meine Unterkunft: airbnb.de/h/villamassai-diani-galu-beach
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