Untote in Odessa
- Bernd
- 30. Nov.
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 24 Stunden
Eine Reise gegen die Angst
2025

Ich dachte Game of Thrones ist das Produkt einer Fantasieserie und muss hier erstaunt feststellen: Das ist sie nicht. Das Königreich Winterfell im Norden der sieben Königreiche ist in der analogen Welt die Ukraine. Sie grenzt mit ihrem Frontverlauf - wie in der Serie - an eine riesige Mauer aus Eis. Dahinter lebt ein kulturell reiches Volk, dass mehr und mehr von Untoten regiert wird, seelenlose, die einmal Menschen waren, ja schlimmer noch: Je länger diese Untoten ihren Sadismus praktizieren, wird die Bevölkerung jenseits der Mauer - in einem perfiden schleichenden Prozess - selbst zu Untoten.
Nichts rechtfertigt diese Reise
Ich bin kein Mitglied einer Regierung, keiner Partei, keiner Redaktion, die einen Stab von Sicherheitsleuten damit beauftragen, für meine Sicherheit zu sorgen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es ist gut, dass Politiker aus verschiedenen Ländern und aus unterschiedlichen politischen Parteien hierherreisen, um sich ein Bild zu machen. Das ist ein starkes, ein wichtiges Signal an die ukrainische Bevölkerung.

Ich hingegen bin nur ein gewöhnlicher Reisender, kein VIP.
Die Stimmung in der Ukraine ist beklemmend, und es ist schwierig, die Luftalarme in der Nacht, aber auch am Tag, ganz allein auf sich gestellt, zu ertragen, geschweige denn, zu beschreiben. Ich versuche es trotzdem.
Nichts ist bei dieser Reise minutiös geplant oder abgestimmt und nichts organisiert oder vorbereitet. Nichts rechtfertigt diese Reise. Außer vielleicht unvoreingenommen in meinem Blog über die Zustände, über die Menschen, zu berichten.
Meine Motivation? Der Blick über den Tellerrand.
Es geht mir nicht um stupide opportune Ideologie: West gegen Ost, Nord gegen Süd, Arm gegen Reich, Kapitalismus gegen Kommunismus, Richtig gegen Falsch. Diese Reise ist bestenfalls ein Plädoyer, das Werben um fundamentale Rechte einer regelbasierten zivilisierten Weltordnung im 21. Jahrhundert.

Am 28. Oktober 2025 steige ich in Chişinău in den Flixbus.
Grenzwertig

Das Erste, was mir nach dem Grenzübertritt auffällt, sind die weiten, goldgelben Weizenfelder der Ukraine. Es ist ein fruchtbares Land. Eine Kornkammer. Ein reiches Land.
Meine Sitznachbarin reist mit ihren beiden Söhnen zurück nach Kiew. Ihr Blick schweift über die Felder. In den letzten Monaten habe der Beschuss der ukrainischen Hauptstadt durch die Russen an Heftigkeit zugenommen. Ich nicke. Was soll ich sagen? Das ist eine andere Lebensdimension. Uns trennen Welten.
Nach insgesamt fünf Stunden erreichen wir die Hafenstadt.

Odessa
Die 1794 gegründete Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer ist für ihre Strände und Bauten aus dem 19. Jahrhundert berühmt. Zu den Sehenswürdigkeiten zählen
das Opernhaus
die monumentale Potemkinsche Treppe,
der prachtvolle Primorskyi Boulevard mit seinen Herrenhäusern und Denkmälern,
die Verklärungskathedrale,
das historische Zentrum von Odessa...

Unter normalen Umständen würde ich hier den Schwerpunkt meines Reiseblogs setzen. Aber seit dem russischen Angriffskrieg ist hier nichts mehr normal.
Nach der russischen Annexion der Krim 2014, die nur 300 km entfernt liegt, hat Odessa an Bedeutung für die Ukraine gewonnen. Hier liegt der größte ukrainische See-, Marine- und Heimathafen.

Am verwaisten Busbahnhof passt mich gleich ein selfmade Taxifahrer ab und bringt mich zusammen mit seiner Frau, die im Wagen wartet, ins Hotel.
Geisterhaftes Hotel und Marilyn Monroes Lächeln

Die großzügige Empfangshalle mit ihren glitzernden Glasleuchtern und den großen Fenstern, erinnern an bessere Zeiten: menschenleer. Lediglich ein paar Lampen spenden ihr dumpfes Licht. Überall an den tapezierten Wänden hängen ansprechende Ölgemälde. Die junge Frau an der Rezeption spricht ein wenig Englisch, hilft mir beim Check-In und übergibt zwei Schlüssel an ihren Kollegen. Ich könne unter zwei Zimmer im 5. Stock wählen.

Beide Räume sind in etwa gleich. Ich wähle das hellere Zimmer mit einem kleinen Balkon. Es riecht etwas muffig. Die Zimmer kühlen bei Sonnenschein nicht so schnell aus. Ich lüfte.
In der Nacht kann es Ende Oktober ungemütlich kalt sein. Kurzer check: Elektrizität funktioniert. Wasser läuft auch.

An den Wänden zum antiquierten Speisesaal hängen Portraits von Marilyn Monroe, auch eines ihrer Kleider ist dabei. Eine Hommage an das schillernde Hollywood?
Das Personal ist ausgesprochen freundlich und zeigt großes Engagement. So gut es die äußeren Umstände zulassen, vermitteln sie mir einen ganz normalen Hotelalltag. Aber es fehlen die Touristen.
Die Anspannung und die ständige Arbeit unter Lebensgefahr, sind in ihren blassen Gesichtern deutlich sichtbar.
Ich hätte ein Zimmer im 1. Stock nehmen sollen. Es gibt Aufzüge. Aber die benutze ich aus verständlichen Gründen nicht: bei einem Stromausfall säße ich in der Falle.
Die Treppen sind mein Fitnessprogramm.
Ungewöhnlich normal
Auf den ersten Blick wirkt Odessa wie jede andere Touristenstadt. Die Menschen verrichten ihre Arbeit, gehen shoppen, treffen sich in Cafés, Restaurants und Parks. Familien und frisch Verliebte flanieren im Stambulskyy Park, machen Selfies an der Potemkinschen Treppe. Pubertierende hängen auf Parkbänken herum oder starren auf ihre Handys. Aber wie gesagt: Die internationalen Touristen fehlen.


Der Park der Verklärungskathedrale ist Treffpunkt für Kunstinteressierte. Aber auch hier, hinter der Kathedrale, schlug eine Drohne ein.
Wie auf vielen meiner Reisen werde ich fündig. Meine Wahl fällt auf ein Ölbild der Potemkinschen Treppe. Das Verkaufsgespräch findet mit der genialen Erfindung eines Translators statt.
Gepriesen sei die Technik.
Nur ein paar Straßen weiter erreiche ich den City Garden, ein Stadtpark mit umliegenden Geschäften, Restaurants und Cafés. Auch hier treffen die Menschen Freunde und Verwandte, um für einen Augenblick die Strapazen des Krieges zu vergessen. Alles wirkt normal.

Ganz in der Nähe davon, in der Derybasivska St. 31, entdecke ich das Lviv Handmade Chocolate, eine Chocolaterie.

Hier gibt es köstliche selbstgemachte Pralinen und Schokolade aus eigener Herstellung zu kaufen.
Außerdem nutzte ich die Gelegenheit für eine sehr schmackhafte heiße Schokolade in dieser geschmackvoll eingerichteten Chocolaterie. Sie verwöhnt die Nase mit ihrem feinem Schokoladengeruch.
Wer ein Geschenk für Familie, Freunde und Bekannte sucht, wird hier fündig.
Kaum ist die kurze Auszeit vorbei, konfrontiert mich das Stadtbild wieder mit den direkten und indirekten Folgen des russischen Angriffskriegs.

Hier und da versperren Bauzäune die Sicht auf beschädigte Gebäude durch die russischen Luftangriffe: die Verklärungskathedrale, Teile des Bristolhotels, am Museum für Archäologie, zivile Wohngebäude und Geschäfte... Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit repariert man hier alle Kriegsschäden, weil jedes zerstörte Gebäude die Menschen lähmt und ansonsten resignieren lässt.

An den beschädigten Gebäuden in Hafennähe und in der Altstadt haben sie die riesigen Fenster mit Spanplatten verkleidet. Bei den russischen Angriffen zerbersten die Glasscheiben mit unglaublicher Wucht. Glück, wer nicht durch tausende umherfliegende messerscharfe Glassplitter verletzt wird. Der Hafen zählt zu den bevorzugten Angriffszielen der Russen, weil er zum wirtschaftlichen Überleben der Ukraine beiträgt.

Überall in der Stadt sieht man Notstromgeneratoren. Putin lässt gerade vor dem Winter überwiegend Kraftwerke zerstören. Ohne Strom, keine Wärme, kein Wasser und gerade die Kälte im Winter ist wie ein zusätzliches Folterinstrument, um die Menschen mehr und mehr zu zermürben. Die dezentrale Versorgung mit Energie ist somit über lebenswichtig.
Wie organisieren sich Eltern und gebrechliche alte Menschen in solchen Situationen? In einer eiskalten Wohnung Säuglinge und Kleinkinder versorgen, ihnen Wärme und Geborgenheit vermitteln, ist auf einmal eine Existenzfrage.


Im Falle eines Luftalarms sorgen zum Teil mobile Bunker für die Sicherheit der Zivilbevölkerung.
Der Angriff der Drohnen kann zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgen. Diese Dinger haben die Kriegsführung auf einen Schlag verändert. Immer wieder muss sich die Flugabwehr darauf einstellen.
Wer im Fadenkreuz der Drohnenpiloten steht hat praktisch kaum eine Chance.
BSSSSSSSSS - Bumm: im Glücksfall bist du gleich tot, wer Pech hat, ist verwundet, wer noch mehr Pech hat, dem fehlen Hände, Arme und Beine.
So funktioniert russische Kriegsführung gegen Zivilisten.
Es liegt eine Anspannung in der Luft, die sich mir schon bald in der kommenden Nacht erschließen wird.
Das ist kein Probealarm

Gerade habe ich meine Arbeit am Laptop beendet, als draußen, kurz nach 23 Uhr, die Luftschutzsirenen der Stadt apokalyptisch aufheulen.
Fast zeitgleich schrillt die Warn-App meines Handys. Eine männliche Stimme warnt und fordert die Bevölkerung auf, sofort den nächsten Schutzraum aufzusuchen.
Ununterbrochen ertönt der unheimliche Alarm. Ich ziehe die Vorhänge zu, als ob das etwas bewirken würde.
Mein ganzer Körper vibriert unkontrolliert. Ich laufe verwirrt durch das Hotelzimmer, ziehe mir Hosen über. Wo soll denn hier der nächste Schutzraum sein? Blick aufs Handy. Ohnehin zu weit.
Im fast leeren Hotel ist es totenstill. Niemand, der gehetzt durch die Gänge rennt, niemand, dem man nachrennen kann, niemand, an dem ich mich orientieren könnte.
Auch auf den Straßen: keiner zu sehen. Die Menschen sind beneidenswert diszipliniert. Oder apathisch. Vermutlich beides.
Der Alarm verstummt etwa eine Stunde später. Erschöpft schlafe ich für eine kurze Zeit ein. Doch bereits zwei Stunden später geht das Prozedere von vorne los, endet und startet wieder und wieder neu. Der Körper wird in eine Art Dauerstress versetzt.

Dann erfasst mich der kühne Gedanke, die gruselige Atmosphäre in einem kurzen Video einzufangen. Ansatzweise wenigstens.
Auch in der folgenden Nacht: Ich zwinge mich zur Ruhe, erhalte allmählich die Kontrolle über mein Handeln zurück, etwas zumindest, entscheide mich wieder, in meinem Zimmer zu bleiben und öffne die ukrainische Warn-App. Dort sind auf einer Karte die einzelnen Regionen der Ukraine aufgezeigt. Der Osten, dort wo die Front verläuft, ist ständig Rot, die Region Odessa nun auch.

Das mag sich jetzt bescheuert anhören. Aber ich beschließe, mich ins Bett zu legen, besser gesagt, zu setzen. Solche Szenen kenne ich nur aus den Nachrichten oder aus Filmen. Aber ich habe meine Komfortzone verlassen. Das hier ist nun die Realität.
Angriffe der Untoten
28.10. 2025 um 23 Uhr Luftalarm.

29.10.2025 um 2 Uhr nachts erneuter Luftalarm, der eine halbe Stunde später verstummt. 29.10.2025 um 3:39 Uhr wieder Luftalarm, Entwarnung um 4:19 Uhr, dann ist Ruhe.
29.10.2025 um 23:18 Luftalarm
29.10.2025 um 23:54 Uhr Luftallarm weitet sich aus
30.10.2025 um 00:22 Uhr: weitere Regionen der Ukraine sind betroffen
30.10.2025 um 04:02 Uhr: erneuter Luftalarm, fast die ganze Ukraine ist betroffen
30.10.2025 um 04:52 Uhr: in der ganzen Ukraine besteht Luftalarm

30.10.2025 um 07:06 Uhr: Entwarnung für die Region Odessa

30.10.2025 um 08:05 Uhr: die Angriffe nehmen ab
30.10.2025 um 10:11 Uhr: Luftalarm im Norden, Osten und auf der Krim
Die Angriffe der schwarzen Drohnen erfolgen überwiegend nachts, weil sie in der Dunkelheit für die Luftabwehr schwerer zu erkennen sind. Unheimliche Todesboten, um zu zerstören und die Bevölkerung zu demoralisieren.
Im Krieg gehört dir nichts, nicht einmal dein Leben
Die äußere Gelassenheit der Ukrainerinnen und Ukrainer mit dem Dauerstress ist bewundernswert. Aber in ihren Gesichtern hinterlassen die ständigen Angriffe ihre Spuren.
30.10.2025 um 12:03 Uhr: erneuter Luftalarm für Odessa und die gesamte Ostukraine. Ich bin an diesem herrlichen sonnigen Herbsttag gerade wieder in der Innenstadt unterwegs.

30.10.2025 um 12:40 Uhr: Entwarnung für die Region Odessa

30.10.2025 um 13:57 Uhr: erneuter Luftalarm für Odessa. Ich laufe gerade durch den Stadtpark.

Ich sehe in das Gesicht einer jungen Frau, die mit ihrem Kleinkind im Park spazieren geht und frage sie: "And now?"
Sie antwortet achselzuckend in gebrochenem Englisch: "Im Krieg gehört dir nichts, nicht einmal dein Leben.“ und geht mit ihrem Kind davon. Sie dreht sich noch einmal zu mir um und bedankt sich für die Flugabwehr aus Europa. „Ohne sie wären wir schon längst verloren.“ Ich schäme mich auf einmal für unsere abstrusen Debatten in den deutschen Talkshows. Die AFD und die Linke sprechen vom Verhandeln mit den Untoten, die nicht verhandeln wollen. Genauso gut könnte ich mit Zombies einen Stuhlkreis machen.
Am Kreisel, am Katermynyns´ka Square, erhält der Krieg auf einmal ein Gesicht. In Gedenken an die ukrainischen Gefallenen der Stadt haben die Menschen hier Fotos aufgestellt und Blumen niedergelegt: Söhne, Freunde, Familienväter.

Wer wird Russland zurück zur Zivilisation führen?
Anfangs war die russische Regierung noch bemüht,
den Beschuss ziviler Gebäude
mit fehlgeleiteten Raketen zu erklären.
Inzwischen glauben sie ihren Lügen selbst nicht mehr.
Ich laufe Richtung Hafen und sehe in der Ferne ein ausgebranntes Hochhaus. Ein Sicherheitsbeamte fordert mich freundlich, aber bestimmt auf, hier nicht zu fotografieren. Dort oben, er zeigt auf die Potemkinsche Treppe, ist es erlaubt. Ich ändere meine Marschrichtung und gehe müde die 192 Stufen hinauf, setze mich auf eine Mauer und verfalle in grüblerisches Schweigen.

Es macht einen Unterschied, ob ich meine Informationen über den Krieg in der Ukraine aus Nachrichtensendungen, Talkshows und Zeitungen in Deutschland beziehe oder ob ich die Angst, die Putin mit seinen Gräueltaten verursacht, selbst erlebe.
Kaltblütig schickt er seine eigenen Soldaten in den Tod. Sie sind für ihn nur Kanonenfutter. Nichts weiter.
Russland führt nicht nur einen Angriffskrieg auf einen souveränen Staat; es führt einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung, auf die Infrastruktur, die Wasserversorgung und Elektrizität, auf Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Wohnhäuser.
Putin und seine Freunde führen einen Krieg gegen die Zivilisation.
Ich erinnere mich an das Pressefoto während der Corona Krise, auf dem Putin aus Angst, sich mit dem Virus anzustecken, an einem lächerlich überdimensionierten Tisch sitzend andere Staatsgäste empfängt. Wie erbärmlich.
Süßes oder Saures: Menschenschänder

Anfangs war die russische Regierung noch bemüht, den Beschuss ziviler Gebäude mit fehlgeleiteten Raketen zu erklären. Inzwischen glauben sie ihren Lügen selbst nicht mehr.
Die Mächtigen im Kreml glauben durch ihren Staatsterrorismus Menschen brechen zu können: in Tschetschenien, in Aleppo/Syrien, gegen das eigene russische Volk und jetzt hier in der Ukraine.
Ich fürchte mit Kriegsverbrecher lässt sich nicht verhandeln.
Ein kleiner Trost: Die Geschichte lehrt uns, dass die Zivilbevölkerung schon oft ihre Peiniger zum Teufel jagte.
Nicht grundlos reagiert die russische Regierung panisch auf Oppositionelle, zu denen auch der ermordete Regimekritiker Alexej Nawalny (geboren 04. Juni 1976 - 16. Februar 2024), Wladimir Kara-Mursa, Maria Aljochina und andere zählen.
Russland wird diese Menschen, diese Gesichter, brauchen. Repräsentieren sie doch - wie einst die deutschen Widerstandskämpfer in Nazideutschland - das humane Russland.
Dem Licht beraubt

Hier in Odessa wiederholt sich für mich Geschichte, mehr noch als an anderen Orten. Gräueltaten der Angreifer werden durch abstruse wie haltlose Argumente legitimiert. Immer schon forderten Diktatoren ihre Bevölkerung dazu auf, für ihren Krieg fleißig Kinder zu zeugen, denen sie gerne medienwirksam über den Kopf streicheln, um sie Jahre später an der Front zu verheizen.

Nirgendwo werden Kinder so früh militärisch getrimmt, wie in Russland. Als wäre Hitlerdeutschland eine Blaupause für sie.
Der Angreifer kehrt Tatsachen um, nennt die Opfer Aggressoren und die Aggressoren Helden, um ihren offen zur Schau gestellten Sadismus zu rechtfertigen.
Man kann eine Lüge endlos wiederholen. Sie wird dadurch nicht zur Wahrheit. Nicht im Nazideutschland des 2. Weltkriegs, nicht im Vietnamkrieg der 60er Jahre und auch nicht in den Kriegen der russischen Regierung.
Deutschland musste für seine Taten am Ende des 2. Weltkriegs mit zahllosen zivilen Opfer, Gebietsabtretungen und der Teilung in einen demokratischen und einen sozialistischen Staat bezahlen.
Es waren die einfachen Menschen des DDR-Regimes, die 1989 auf die Straßen gingen, um ein Unrechtsregime zu beenden.
Keine Mauern, keine vergifteten Ideologien währen ewig.
Deutschland kann ein Lied davon singen. Der nachfolgende Song von Tom Tykwer, Mario Kamien und Nikko Weidemann stammt aus dem Film Babylon Berlin, eine Kriminalreihe, die im Deutschland der 20er und 30er Jahren spielt, kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Gesungen wird es von der litauischen Künstlerin Severija Janušauskaitė. Er passt auch zum Angriffskrieg Russlands. Hört selbst: Zu Asche, zu Staub:
Ich stehe auf, schaue noch einmal kurz zum Hafen hinunter und laufe gedankenversunken zurück zum Hotel.
In Star Trek III - "Auf der Suche nach Mr. Spock" - sagt Spock sinngemäß, dass das Wohl vieler über dem Wohl des Einzelnen steht. Und Captain Kirk antwortet sinngemäß, dass das Wohl eines Einzelnen genauso schwer wiegt wie das Leben vieler.

Abreise aus Odessa

Auch am Tag meiner Abreise ertönt der Luftalarm.
Ein mürrischer Taxifahrer bringt mich zum Busbahnhof.
Was, wenn jetzt ein Luftangriff erfolgt? Was, wenn unterwegs im Bus ein Angriff durch die untoten Piloten in Russland startet, die todeshungrig ihre Todesdrohnen steuern, als wäre es ein Computerspiel?
Und was, wenn der Bus erst gar nicht kommt, der mich zurück nach Chişinău bringen soll?
Es ist bereits dunkel, als der Bus einfährt. Da ist sie wieder, die Angst in Bauch, die mich nicht lähmen konnte.
Menschenrechte sind keine Frage der politischen Ideologie und Weltanschauung. Sie sind Grundrechte. Das Gift des Nationalsozialismus und Kommunismus ist kein regionales Phänomen. Es erfasst gerade wieder weite Teile der Welt und verzwergt den Geist der Völkerverständigung.
Der Wackeldackel auf der Hutablage

Ich sitze wieder überglücklich in meinem Lieblingscafé in Chişinău, als mir eine zynische Metapher in den Sinn kommt:
Putin sitzt gut gelaunt in seinem schicken Lada und fährt selbstgefällig auf der Autobahn Richtung Kiew. Zumindest glaubt er, dass er sich auf der Autobahn Richtung Kiew befindet.
Auf der Hutablage, hinten im Wagen, sitzt sein Wackeldackel, der an den nordkoreanischen Machthaber erinnert. Auch er freut sich mit aufgeregten Pausbäckchen, darf er doch endlich wieder eine kleine Nebenrolle auf internationalem Parkett spielen.
Was beide nicht wissen: Die vermeintliche Autobahn ist in Wirklichkeit der Rücken des chinesischen Drachens, der gen Westen fliegt.
Womit wir wieder bei unserer Ausgangsposition bei Game of Thrones angekommen sind.
Ich glaube, dieses Mal bin ich ein Zeitreisender.




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