top of page

Nordkorea lächelt nicht 2

  • Bernd
  • 13. Feb. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Ein nordkoreanischer Radfahrer lächelt im Vorbeifahren in meine Kamera.


Stein - Zeit - Kommunismus


Namensschild des Hotels: Yanggakdo

Die Zeit steht still. Meine schlaflose Nacht ist hier in Pjöngjang dunkler als anderswo, Nebelschwaden machen den Fluss und die Stadt vor meinem Fenster fast unsichtbar. Vereinzelt erklimmen verlassene Silhouetten der umliegenden Gebäude den sternenlosen nachtschwarzen Himmel. Ihre wenigen Lichtpunkte spenden kaum Hoffnung, sie sind trostlos. Und dennoch geht es den Menschen in der Hauptstadt vergleichsweise gut.


Alles ist durchorganisiert: zuerst die harte tagtägliche Arbeit, danach ehrenamtliche Dienste für das Land und die Partei. Was zählt ist das Kollektiv. Das Wenige hier ist viel, im Gegensatz zum Rest des Landes. In ein paar Stunden schon wird unsere in jeder Hinsicht privilegierte Gruppe zusammen mit den beiden deutsch sprechenden nordkoreanischen Guides im Reisebus zum Sightseeing durch die entleerten Straßen Pjöngjangs fahren.


Unsere namenlosen allgegenwärtigen Guides sind eine Frau und ein Mann. Parteisoldaten. Aufpasser. Organisatoren. Übersetzer. Wärter und Wächter. Im Bus geht es durch die Stadt. Wir sehen nur wenige Meter von uns entfernt Menschen auf dem Weg zur Arbeit, die wie Ameisen umherwuseln. Unerreichbar. Überdimensionierte Prachtstraßen, gebaut für protzige Militärparaden, versprühen ein surreales Ambiente. Geisterstraßen. Autos können sich ohnehin nur Funktionäre leisten. Überflüssige Ampeln schalten von Grün auf Rot und wieder zurück. Sinnlos.


Das zu Ehren Kim Il-sungs aus über 25.000 Granitblöcken gebaute Chuch‘e Denkmal  (auch unter Juche-Ideologie bekannt) ist ebenfalls hier, davor die 3-Personen-Skulptur aus Bronze, bestehend aus einem Intellektuellen, einem Arbeiter und einer Bäuerin.

Die Innenstadt begräbt mit dem riesigen Kim-Il-Sung-Platz alles Grün, jedes Leben unter grauen Beton. Der Platz beherbergt eine Universität, die nach dem Studium Betonköpfe in eine glanzlose Zukunft entlässt, die Parteizentrale, in der jene zukunftslosen Irrlichter das Volk verwalten und das Außenhandelsministerium. Das zu Ehren Kim Il-sungs aus über 25.000 Granitblöcken gebaute Chuch‘e Denkmal (auch unter Juche-Ideologie bekannt) ist ebenfalls hier, davor die 3-Personen-Skulptur aus Bronze, bestehend aus einem Intellektuellen, einem Arbeiter und einer Bäuerin. Monumente einer längst vergangenen Ära. Selbst China hat das inzwischen begriffen. Hier komme ich mir vor wie in einem kommunistischen Disneyworld aus Stein und Beton. Aber zugegebenermaßen nicht ohne Nostalgie und Charme für all jene, die nicht in diesem Land leben müssen.


Es wird für uns ein Treffen mit Studenten in der Universität arrangiert. Jeder aus unserer Gruppe darf mit einer zugewiesenen Person sprechen. Für mich haben sie einen pickligen Fleischklops mit Haifischaugen ausgesucht, was noch zu ertragen war. Allerdings hat er extremen Mundgeruch, der mir bei jedem Satz den Atem raubt. Ich beschließe einfach so lange er spricht die Luft anzuhalten. Aber ich hätte bei seinen langen Sätzen schon ein karibischer Perlentaucher sein müssen, um das unbeschadet zu überstehen. Nach Luft schnappend, stelle ich freundliche Fragen oder antworte zu seiner Enttäuschung in knappen Sätzen, der seinen Wissensdurst einfach nicht stoppen will. Seine Strategie: Entlocke dem Klassenfeind möglichst viele Informationen und lobe das eigene alternativlose Regime.


Bernd vor einer Wasserfontäne auf dem Kim-Il-sung-Platz.
Ein Hauch von Scholl-Latour.

Der Kumsusan Palast, auch Palast der Sonne genannt, war Amtssitz des ewigen Präsidenten und Staatsgründer Kim Il-Sung. Es wird gerade zum größten Mausoleum umgebaut. Die Gebäude drumherum sind das was sie sind: schmucklose, funktionale Plattenbauten, in denen Menschen in einigermaßen stabilen Verhältnissen wohnen, zahllose Rädchen, die den Apparat am Laufen halten.




Wohnblock in Pjöngjang mit Geschäften imn Erdgeschoß.

Unsere Medien daheim in Deutschland rücken spürbar immer weiter nach Links. Die Linke, aber auch weite Teile der Grünen und der SPD sprechen unermüdlich von immer mehr Gerechtigkeit. Noch mehr Wohlstand und leider auch - wenn´s denn passt - von Enteignung. Die sozialistische und kommunistische Ideologie ist mir - vom Ansatz - sehr sympathisch. Es gibt nur einen Haken: Die Lehre funktioniert nicht. Nirgendwo. Nordkorea ist das real existierende Paradebeispiel. Immer wieder tauschen wir in der winzigen Reisegruppe unsere Erfahrungen und Eindrücke aus. In unbeobachteten Gesprächen versteht sich. Draußen, nicht innerhalb der verwanzten Räume. Und immer außer Hörweite unserer sozialistischen Freunde.


Wenn du sterben willst


Ich würde unseren Guides gerne die eine oder andere Frage stellen, insbesondere wenn das, über was sie in ihrer ideologischen Verblendung referieren (müssen), nicht zu dem passt, was ich draußen, jenseits unserer Panoramascheiben, zu sehen bekomme. „Alle Bewohner in Nordkorea sind gleich. Wir sind klassenlos, und unser großer Führer sorgt Tag und Nacht unermüdlich für das Volk. Niemand müsse Leiden. Die medizinische Versorgung ist kostenlos. Niemand muss hungern…“ und so weiter. In der Regel folgt auf diesen Kims Märchen ein grandioser Vortrag über das Leiden, die Entbehrungen, der Südkoreaner. Das ist sehr schwer auszuhalten.


Ramona, unsere deutsche Reiseleitung, schaut mich entsetzt, fast flehend an, flüstert mir zu: "Bitte nicht!!! Sag jetzt nichts. Außer du möchtest in einem nordkoreanischen Zuchthaus enden! Und enden kannst du wörtlich nehmen!" Ramona entlockt mir immer wieder ein Lächeln.


Steinernes Denkmal mit heroisch dreinblickenden Blumenfrauen. Mir fällt dazu das Lied "Sag mir, wo die Blumen sind..." ein.
"Sag mir, wo die Blumen sind..."

Die mit den Haaren auf den Zähnen


Systematisch suchen unsere Fremdenführer auf den scheinbar zwanglosen wie abgeschirmten Spaziergängen das Einzelgespräch mit uns Touristen. Mit ihren Fragen checken sie uns ab, wie wir leben, Familienstand, unsere Eindrücke aber ganz besonders unsere beruflichen Qualifikationen. “Wow! Maschinenbau, welche Maschinen?” “Interessant! Ein eigenes Unternehmen! Welche Branche?” Ich falle als Diplom (“Toll!“) Sozialarbeiter („Oh Gott!“) sogleich bei der Dame mit den Haaren auf den Zähnen, wie ich sie nenne, durch. Immer wieder lässt sie mich im Verlauf der Reise ihre Geringschätzung spüren. Mit ihr, so viel ist klar, ist nicht zu spaßen. Uns verbindet gegenseitige Abneigung.


Leere Kreuzung in Pjöngjang, im Vordergrund eine Ampel. Sie steht auf Rot.
Überflüssige Ampeln schalten von Grün auf Rot und wieder zurück.




Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Commentaires


bottom of page