Ich hatte (k)eine Farm in Afrika: Abschied, Teil 4
- Bernd
- 20. Nov. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Feb.
Mitwirkende
Laura: Managerin der Villa Massai, Seelsorgerin, Farmerin
Hickson: Manager der Villa Massai, Seelsorger, Farmer
Bernd: Sozialarbeiter, Unternehmer, Blogger, Traveller, Investor
Die sündhafte Shisha
Die Küstenregion um Mombasa, der zweitgrößten Stadt Kenias, ist von der arabischen Kultur geprägt. Das Sultanat Oman besiegte die Portugiesen 1699 und eroberten Mombasa. Zu verlockend waren die Gewinne aus dem Handel. Gleichzeitig brachten sie Kultur und Religion ins Land. Bis heute ist die Bevölkerung Mombasas mehrheitlich muslimischen Glaubens.
Shishabars gibt es überwiegend am Nordstrand Mombasas. Zu weit entfernt für einen kurzen Abstecher. (Sie wissen schon, die Fähre.) Wie sich heraus stellt ist Hickson ganz versessen, das Shisha rauchen auszuprobieren. In der Tat gibt es am Diani einen Ort, der mich aber überhaupt nicht anspricht. Das neu errichtete Manyatta Resort ist ein seelenloser Nachtclub aus Beton, Glas und Stahl, inklusive Bar, Sportbar, Spa. Ein hässlicher Klotz, direkt an der Diani Road. Eine Shisha am Strand, das wäre es gewesen! Gibt´s aber nicht. Hickson wird nervös. Er möchte es gerne ausprobieren.

Mehrfach mussten wir unseren Termin verschieben. Es bleibt nur der Samstag, sein halber freier Tag. "Kein Problem!" meint er. Wir verabreden uns für den Abend. An diesem Tag läuft zeitgleich ein Fußballspiel zweier englischer Mannschaften. Die Geräuschkulisse ist enorm. Wir setzen uns etwas Abseits.
Die Shisha schmeckt überraschend gut. Marko und ich waren auf das Schlimmste vorbereitet. Die schlechteste Shisha rauchten wir in Malaga, Pablo Picassos Geburtsstadt. Wir beendeten nach nur 10 Minuten das Rauchen. Keine Ahnung, was die dort für einen Tabak verwendet haben, Kamelmist vielleicht. So jedenfalls schmeckte sie.
Hickson entspannt sich, wird fast schon locker, kommt auf den Geschmack. "Du kannst eine Shisha gut mit Freunden rauchen. Dann könnt ihr euch die Kosten teilen. Macht auch mehr Spaß.", erklärt Marko. Hickson geht kurz zum Auto und kommt mit einem breiten Grinsen auf den Lippen zurück. Ich frage ihn, ob das Grinsen schon von der Shisha komme. Er verneint. Unterwegs wurde er von zwei Damen angesprochen, ob er nicht den Kontakt zu uns beiden Mzungus herstellen könne. Das Geschäft mit den Emotionen ist allgegenwärtig. Wir ignorieren das Angebot.
Am darauffolgenden Montag fragt Laura bei unserem gemeinsamen Frühstück, wie unser Wochenende gewesen sei. Wir verkünden Stolz von unserem gemeinsamen Besuch in der Shishabar, was bei ihr zunächst Entsetzen und dann lautes Gelächter auslöst. Hickson ist auf einmal erstaunlich still und erblasst, was eigentlich aufgrund seiner Hautfarbe unmöglich ist. Sowohl Laura als auch Hickson sind in ihren Gemeinden gute, engagierte Christen. Sie arbeiten ehrenamtlich für die Kirche in der sozialen Gemeindearbeit als Streit- und Konfliktschlichter. Das, was bei uns Sozialarbeiter machen, nur authentischer.
"Papa", sie grinst noch immer, "unser Priester sagt, das Rauchen und der Genuss von Alkohol in unserer Gemeinde Sünde ist? Nur Rotwein nicht!" sie kneift ein Auge zu. Natürlich hatte sie die Doppelmoral der Kirche längst durchschaut. Meine Lieblingsantwort darauf ist der Hinweis auf ein Leben vor dem Tod. Nur Hickson bleibt angespannt. Er erklärt Laura mit der Miene eines Ertappten den Unterschied von Zigaretten rauchen und Shisha rauchen. Er habe - so wie von Marko und mir empfohlen - den Rauch überhaupt n i c h t inhaliert. (War da nicht einmal ein amerikanischer Präsident, der das Selbe sagte?) Außerdem, fuhr er fort, war das Treffen eine dienstliche Zusammenkunft mit seinem Chef, die er nicht ablehnen durfte. Laura ist eine richtige afrikanische Mama, mit einem großen Herz. Sie nimmt es mit Humor, versichert ihm, zu schweigen wie ein Grab. Hickson bleibt dabei. Weil man bei Shisha nicht inhaliert kann gar keine Rede von Rauchen sein.
Abschied
Hickson, Laura und ich verabreden uns zu einem späten Frühstück im Kokkos, einem Caférestaurant mit leckerem Frühstück, Kuchen und kleineren Gerichten, direkt an der Diani Beach Road, gegenüber vom Shopping Center. Hier lässt es sich gemütlich sitzen. Marko ist berufsbedingt bereits ein paar Tage zuvor schweren Herzens abgereist.

Hickson bestellt einen Flat White, ein deftiges Morning Glory und ein Smoothie; Laura Pancakes, Kaffee, Saft und ich einen Smoothie, Eggs Benedict und ebenfalls einen Flat White. Wir unterhalten uns angeregt über die letzten Wochen. Alle notwendigen Arbeiten im und am Haus wurden eingeleitet. Heute ist ein schöner Tag zum Relaxen. Die Sonne ist angenehm warm, nicht zu heiß. Wobei das für einige Kenianer schon wieder ein Tick zu kalt ist und sie deshalb mit einem Pullover oder einer Jacke herum laufen. Laura wird ein paar Tage Urlaub nehmen und zu ihrem Mann in den Norden Kenias fahren, wo sie etwas Landwirtschaft betreiben. Hickson hatte das eigentlich auch vor, ist aber mit den Renovierungsarbeiten am Haus beschäftigt. Ihnen und mir hatte ich vor ein paar Jahren jeweils einen Acre Land - das sind in etwa 4086,856 qm - gekauft, den sie bewirtschaften.

Ich erkundige mich nach den Einnahmen daraus. Die Antwort ist ernüchternd. Zuerst kamen die Heuschrecken, dann Corona. Sie erzählen von ihren Freunden und Nachbarn, die während der Pandemie ihren Job verloren haben und kommen auf die Optionen der Tierhaltung zu sprechen. Ziegenmilch und Hühnereier würde sich lohnen, meint Laura. Eine Freundin habe einen Stall mit mehreren Etagen zur Hühnerhaltung gebaut. "
Bis heute hat sich nichts von meinen Investitionen in Afrika gerechnet. Nicht das Haus, nicht das Tuk-Tuk, bislang auch nicht das Land. Gegen Massentierhaltung habe ich ohnehin etwas." Hickson bestätigt meine Bedenken. Er habe vom Einsatz diverser Medikamente in der Massentierhaltung gehört. Das mache die Menschen krank. (Das Frühstück dauert. Eigentlich ein gutes Zeichen in einem Lokal. Immerhin kommen die Getränke. Der Flat White schmeckt ihnen.) "Ok, keine Etagen- und Käfighaltung!" willigt Laura ein. Wir vereinbaren, die Grundstücke zusammen zu bewirtschaften. Sie bauen die Ställe, ich finanziere die Tiere. (Jetzt servieren sie meinen Egg Benedict. Hickson starrt hungrig darauf, nippt an seinen Kaffee.)
Uns ist bewusst, mit dem bisschen Land keine Reichtümer erwirtschaften zu können. Aber etwas Gewinn schon. Mein Anteil fließt sowieso ins Haus. Laura verspricht mir, einen "Businessplan" zusammen mit ihrem Mann zu erstellen. (Jetzt kommt Lauras Frühstück. Mit großem Appetit genießt sie es. Hickson rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her. Er ist wirklich hungrig.) Hickson erkundigt sich, wie mein Benedict schmeckt. Ich nicke ihm zustimmend zu. "Und wie siehst du das, Hickson?" "Die Kombination aus Viehwirtschaft, um das Fleisch, den Käse, die Eier zu verkaufen und gleichzeitig etwas Gemüse und Obst anzubauen ist eine gute Idee!" meint er. (Endlich kommt sein Frühstück.) Er ergreift Messer und Gabel, schneidet etwas missmutig an seinem Essen herum. Es scheint ihm nicht zu schmecken. (Laura und ich sind fast schon fertig.) "Dann lasst es uns ausprobieren. Schlechter kann es ja nicht kommen." erwidere ich mit vollem Mund.

Hickson macht jetzt ein verärgertes Gesicht, legt frustriert Messer und Gabel aus den Händen und sagt, das wäre nicht das, was er bestellt habe. Das Omelette sei süß. Er habe aber etwas Deftiges mit Eier und Speck bestellt. Er schaut neidisch zu Laura. Wie sich herausstellt, verwechselte der Kellner die Bestellungen und gab Laura das Frühstück von Hickson. Der schiebt schlecht gelaunt den Teller von sich. Laura stutzt. "Sag mal Laura, du hast doch einen Pfannkuchen bestellt! Das hier ist ein Pfannkuchen. Du bist gerade dabei, meine Bestellung aufzuessen!" Hickson ist empört "Oh, sorry, Hickson!" Sie nimmt pragmatisch, wie sie nun mal ist, den Teller und macht sich über den Pfannkuchen her. Hickson stutzt, schaut mich hilfesuchend an. Wir bestellen ein weiteres Morning Glory für ihn, das kurz darauf kommt. Die Situation wäre damit gerettet.
Irgend etwas scheint die beiden zu belasten. Es ist Hickson, der das Schweigen bricht, will wissen, ob ich das Haus an die Interessentin aus Somalia verkaufen werde. Sie haben mein Treffen mit der Maklerin mitbekommen. Sie wusste, ich verkaufe zu einem Schnäppchenpreis. Die Entscheidung lag mir die ganze Zeit über im Magen. Ein ständiges Abwägen der Vor- und Nachteile. Die Interessentin war begierig darauf, die Immobilie zu erwerben, kündigte den Besuch ihrer Anwältin aus Nairobi an, kontaktierte immer wieder Hickson, ob ich denn in Kenia bin. Am Ende habe ich mich gegen den Verkauf entschieden, rede mir ein, dass meine Geschichte hier noch nicht zu Ende erzählt ist, dass der Preis zu niedrig sei. Wie auch immer. Laura und Hickson sind erleichtert. Sie haben damit einen Arbeitsplatz, eine Aufgabe. Sie sehen tagtäglich in ihren Gemeinden was Perspektivlosigkeit mit Menschen anstellt, Familien zerstört, in den Alkoholismus treibt. Oder sonst eine Droge.
Am nächsten Morgen holt mich Hickson ab. Gerade noch rechtzeitig - vor dem Berufsverkehr -erreichen wir die Fähre. Am Flughafen verabschieden wir uns herzlich. Niemand weiß genau, was die Zukunft uns bringen wird. Krankheiten kommen und gehen. Hoffentlich keine Pandemie mehr. Eine neue Völkerwanderung ist im Gange, Klimaveränderungen, religiöse Verblendung der ewig Unterbelichteten, die sich wieder und immer wieder ins Paradies morden. Überall Krisen. Und die alten Männer der Welt führen ihre Kriege. Es ist gut, einen Ort wie diesen zu haben, ein Stück Heimat für einen Heimatlosen wie mich. Ich habe ein Haus in Afrika.
"Hakuna Matata!"
Afrika erdet mich immer wieder. Bis zum nächsten Jahr!

Link zur Villa Massai
Comments