Hanoi, Vietnam
- Bernd
- 6. Juni 2024
- 5 Min. Lesezeit
Dạy khỉ trèo câỵ
Einmal schweigen, neunmal glücklich.
Deutschland und Vietnam sind fast gleich groß. Aber mit fast 97 Millionen Einwohner leben in dem südostasiatischen Land deutlich mehr Einwohner. Für die Einreise brauchen Deutsche kein Visum, sofern Sie sich nicht länger als 45 Tage im Land aufhalten. Der Tag der Ein- bzw. Ausreise gilt als ganzer Tag. Außer dem Reisepass, der bei der Einreise noch mindestens 6 Monate gültig sein muss, müssen Sie ein Weiter- bzw. Rückflugticket vorlegen, das innerhalb des gültigen Reisezeitraums liegen muss.

Wer meine Blogs regelmäßig liest weiß, dass ich eine Schwäche für asiatische Länder habe. Sie sind so wohltuend anders. Und damit meine ich nicht nur die für uns unleserliche Schrift. Zugegeben, für uns Touristen ist Asien sehr facettenreich, chaotisch, exotisch, quirlig, voller fremdartiger Gerüche, wobei jedes der Länder seine Besonderheiten hat. So gesehen auch Vietnam, das erste asiatische Land, das durch die Bilder aus dem Vietnamkrieg meine Kindheit prägte. Meine Reise 2019 geht daher in die altehrwürdige Stadt Hanoi. Sie ist die Hauptstadt Viertnams und mit 6,6 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes.
Hanoi, das ist nicht schwäbisch

Ich orientiere mich bei der Erkundung überwiegend auf die Altstadt und die Gegend um den 700 m langen Hoan-Kiem-See, auch Schwert See genannt. Er trennt Alt-Hanoi vom ehemaligen französischem Kolonialviertel. Hier finden Sie alles, was eine Großstadt zu bieten hat. Und in der Nacht verändert die Gegend um den See sein Gesicht. Abends ist die Straße für Fahrzeuge gesperrt. Verliebte und Familien mit kleinen Kindern flanieren unter bunten Lichtern um den See.
Vorbei an Cafés, Ständen mit Streetfood, romantische Restaurants, Bars, Einheimische, die gemeinsam Schach spielen, Touristen, die das Leben bestaunen und alle gemeinsam, die den Moment mit ihren Kameras für immer festhalten möchten. Die Abende sind angenehm warm. Überall sind kleine Essstände aufgebaut und kleine Hocker davor laden zum Verweilen ein. Ich umrunde den See, mische mich unter die Menschen, die mich immer wieder anstarren, weil mein Körper mit 1,93 m aus der Menge ragt. Ein Exot. Manche fragen mich, ob sie zusammen mit mir ein gemeinsames Foto machen dürfen, frei nach dem Motto: Die Schöne und der Lulatsch.

250 kg schwer war eine Schildkröte, die in den 60er Jahren aus dem See geborgen wurde. Die Schildkröte ist im Jadeberg Tempel ausgestellt, der inmitten des Sees errichtet wurde. Den Tempel erreichen Sie über die rot geschwungene Holzbrücke, The-Huc-Brücke. Um den See und dem Tempel ranken sich Legenden. Der Sage nach übergab eine riesige Schildkröte dem Fischer Le Loi ein magisches Schwert, das ihn unbesiegbar machte. Mit diesem Schwert besiegte er im 15. Jhd. die chinesischen Besatzer der Ming-Dynastie und wurde zum König ernannt. Aus Dankbarkeit ließ Le Loi in der Mitte des Sees einen dreistöckigen Schildkrötenturm errichten. Er ist heute noch das Wahrzeichen Hanois.
Mach mal Theater

Ein ganz besonderes Event ist das Wasserpuppentheater in Hanoi, am nördlichen Ende des Sees: 57B P. Đinh Tiên Hoàng, Hàng Bạc, Hoàn Kiếm, Hà Nội. Angeblich gibt es diese Kunstform seit dem 11. Jahrhundert nur in Vietnam. Das besondere daran ist das kleine Orchester, dass das Schauspiel musikalisch und live begleitet. Die Puppenspieler stehen in einem Wasserbecken, hinter einem Bambusvorhang und bewegen die bis zu 5 kg schweren Figuren mit Stäben und Schnüren. Die Sitze und Reihenabstände sind zwar für mich etwas zu eng geraten, das Schauspiel mit der untermalten Livemusik dafür ein kultureller Genuss.
Die Geschichten erzählen von den vielen Mythen und Legenden in Viertnam: von feuerspeienden Drachen, von der ewigen Liebe und dem Kampf zwischen Gut und Böse. Oder einfach nur vom Alltagsleben der Menschen. Beliebt ist auch die Darstellung über den bereits erwähnten König Le Loi, der die chinesischen Besatzer vertrieb. Auch ohne Sprachkenntnisse verstehen Sie in groben Zügen die künstlerische Darbietung.
Eine kostenlose Dosis Adrenalin
Vergessen Sie den kostspieligen Versuchungen des Bungeespringens. Es gibt eine wirklich kostengünstigere Alternative: überqueren Sie eine der vielen völlig überfüllten Straßen in Hanoi, wenn möglich zum Berufsverkehr. Eine Blechlawine aus Fahrrädern, Scootern, Motorrädern und Pkw´s, die ständig in Bewegung sind, rollt auf Sie zu! Ihre Aufgabe: überqueren Sie die Straßenseite möglichst ohne über Ihren Haufen gefahren zu werden. Wie soll das gehen? Mein Beispiel bezieht sich auf den Bereich um den See.

Ich habe es mehrfach erfolgreich probiert, ganz ohne Ampel, die hier ohnehin niemand beachtet. Das Prinzip ist einfach aber phänomenal. Fast möchte ich sagen, es macht Spaß. Aber wir wollen nicht gleich übertreiben. Ein älteres Ehepaar steht verzweifelt am Straßenrand, wundert sich, dass niemand die Fußgängerampel beachtet. Sie blicken verunsichert zu mir. Ich lächle ihnen wohlwollend zu. Der Straßenverkehr ist ein unüberwindbarer reißender Fluss. Das Paar folgt mir mit beherzten Schritten. Ich halte den Blickkontakt zu den Mopedfahrern. Lösung: Laufe schnurstracks los. Halte Blickkontakt zu den Fahrern. Wie durch ein Wunder weichen sie mir aus, ohne das wir uns berühren. Hier achtet einer auf den anderen. Wohlbehalten und erleichtert erreichen wir die andere Straßenseite.
Lungengold

In der Altstadt, unweit von meinem Hotel, werde ich unerwartet fündig. Es zieht sich wie ein roter Faden durch all meine Reisen. Eine Shishabar an der ich unmöglich vorbei gehen kann. Die Besitzerin ist eine junge Vietnamesin. zumindest glaube ich, dass sie die Besitzerin ist. So gut es die Sprachkenntnisse zulassen, unterhalten wir uns im Smalltalk Modus. Die Geschäfte laufen schlecht, sagt sie. Aber Geschäfte laufen immer schlecht. "Jetzt nicht mehr." antworte ich ihr und bestelle eine Shisha mit der Geschmacksrichtung Doppelapfel. Oder war es Stairways to Heaven. Ich kann mich nicht erinnern. Es ist der ideale Ort der touristischen Entschleunigung. Die Straße ist nicht allzu laut

Mir gegenüber steht ein wunderschön angeleuchtetes altes Hotelgebäude. Was für ein optischer Genuss. Fahrradfahrer und einige wenige Mopeds ziehen an mir vorbei. Fußgänger und Straßenhändler suchen nach Zielen und Möglichkeiten. Cafés und Restaurants bewirten ihre geschwätzigen Gäste. Die Ereignisse des Tages ziehen an mir vorbei. Ich wechselte das Hotel, weil der vorhandene Zimmersafe nicht funktionierte und auch nicht repariert wurde. Ich verspüre wenig Lust, mit all meinen Dokumenten, Kreditkarten und dem Bargeld durch die Straßen Hanois zu wandern. Kein großes Ding, einfach nur eine Kosten-Risiko-Abwägung.

Ich besuchte auch das Vietnam Military History Museum: Bảo tàng Lịch sử Quân sự Việt Nam. Es befindet sich im Zentrum Hanois, gegenüber des Lenin Parks und nahe dem Hoh-Chi-Minh-Mausoleum. Ich kenne die US-amerikanische Sichtweise auf den Vietnamkrieg. Hier ist die vietnamesische Perspektive mit bewegenden Bildern und Exponaten dargestellt. Mich bewegen die Bilder über die zu Kriegszeiten entwickelten Überlebensstrategien der Menschen hier. Ein scheinbar ungleicher Kampf zwischen David und Goliath, bei der die Menschen auf beide Seiten fatale politische Entscheidungen mit ihrem Leben bezahlen mussten.
Allerdings macht es einen Unterschied auf welcher Seite des Krieges man kämpft. Als Angreifer oder Verteidiger, denn die Folgen des Krieges sind bis heute spürbar. Noch immer werden missgebildete Babys geboren, machen Menschen mit angeborenen Missbildungen - auch hier im Museum - auf ihr Schicksal aufmerksam. Das Museum ist sehr zu empfehlen. Die Öffnungszeiten täglich von 7:30 Uhr bis 12 Uhr und von 13 Uhr bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet ca. 1,50 €.

Ich schaue meinen Rauchschwaden der Shisha nach, die sich Richtung Himmel scheinbar im Nichts auflösen. Aber die Rauchwolken sind da, auch wenn ich sie nicht mehr sehen kann. Sie haben ihre entspannende Wirkung auf meinem Körper hinterlassen. Andere sind weniger zaghaft und sprechen von der toxischen Wirkung. Ich spreche vom Pausieren, Innehalten. Genuss.
Eine Frau mit einem Non La, dem Reis-oder auch Kegelhut, läuft mit ihren Waren auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Hut wird aus einem Bambusrahmen und Palmenblättern hergestellt, ist wasserdicht und schützt auch vor übermäßigen Sonneneinstrahlung. Ich kenne Bilder dieser Art aus meiner Kindheit. Doch heute erst weiß ich von der Willenskraft dieser Menschen, die so viele Stürme erfolgreich trotzten.
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