Gruppenreisen
- Bernd
- 21. Juni 2024
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Juni 2024
7 Punkte, die Sie wissen sollten

Das mit Gruppenreisen ist so eine Sache. Wie immer hat es Vor- und Nachteile. Glaubt man den vollmundigen Versprechungen der Reiseveranstalter, tauchen Sie ein in fremde Welten und Kulturen, knüpfen Kontakte zu den Menschen in den jeweiligen Ländern. Entscheidende Kriterien - unabhängig vom Preis - sind:
der Veranstalter,
die Reiseleiterin, der Reiseleiter,
das Programm,
das Transportunternehmen,
die Unterkunft und Verpflegung,
die Zusammensetzung der Gruppe,
Ihre Belastbarkeit.
Lassen Sie es mich vorab sagen: Es geht in diesem Artikel nicht darum, Reise Bashing zu betreiben, das überlasse ich der Yellow Press.
Bestimmte Praktiken möchte ich aber schon mal kritisch hinterfragen.

Fünf Wochen habe ich für Mexiko eingeplant. Ein Privileg. Die meiste Zeit werde ich auf eigene Faust reisen. Erfahrungsgemäß kostet der Transport die meiste Kraft und geht ans Budget. Der Vorteil: Dort wo es mir gefällt kann ich so lange verweilen, wie es mir passt. Sieben Tage habe ich für eine Rundreise mit Meiers Weltreisen ab Mérida reserviert, ein Unternehmen, mit dem ich schon öfter unterwegs war.
Rundreise im Schnelldurchlauf

Ich fliege von Mexiko Stadt nach Merida. Schon am Flughafen suche ich vergeblich nach dem Schild des Reiseveranstalters Meiers bzw. Dertour. Schon mal blöd, wenn Sie die Sprache nicht sprechen. Ein Mann spricht mich an. Es stellt sich heraus, dass er für ein Subunternehmen arbeitet und mich ins Hotel bringen soll. Dort checke ich ein. Der Rest des Tages steht zur freien Verfügung.

Am nächsten Tag ist Gruppentreffen angesagt: 32 Leute aus Deutschland, Österreich und Luxemburg. Was habe ich über Mexiko und Morelia geschrieben? Tolles Essen. Günstig aber gut. Schmackhaft, reichhaltig. Das Frühstück hier schmeckt nach gar nichts: Rührei, ein paar Brocken Formfleisch, etwas Obst. Der Kaffee ist wässrig und somit für einen passionierten Kaffeetrinker wie mich ungenießbar. Dann besser keinen Kaffee.
Manche Gäste kritisieren die abgewohnten Zimmer im Grand Real Yucatan Merida. Schimmel im Bad. Kann ja mal vorkommen. Immerhin funktionierte bei mir die Dusche, wenngleich das kalte Wasser heiß und das heiße kalt ist. Links-Rechts-Schwäche schätze ich mal. Die nachfolgenden Hotels werden nicht viel besser. Aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Im Riesenbus geht es durch die engen Straßen Meridas. Der Busfahrer ist ein Könner. Er meistert mit seinem Monsterbus alle Engpässe. Die Gruppe ist noch relativ frisch und aufnahmefähig: Ausgiebige Stadtrundfahrt Merida: Links sehen Sie Häuser, rechts sehen Sie teure Häuser. Nord- Südachse, Shopping Mall. Anschließend die Fahrt nach Celestun, Besuch der Lagune mit Schnellboot und echten rosaroten Flamingos.
"Opa halt deinen Hut fest!" Die Gruppe ist bei so frischem Wind und der Geschwindigkeit, mit der wir über das Wasser gleiten, gut gelaunt.


Am nächsten Tag geht es von Merida zum Fotostop nach Yaxcopoil (Besuch einer Hacienda), anschließend für noch mehr Fotos nach Uxmal zu einer Mayastätte, danach ist Campeche angesagt mit einer Nacht im Hotel Ocean View. Gäste beschweren sich über defekte Toilettenspülungen, wenig Wasserdruck, Schimmel im Bad, massive Geruchsbelästigung durch Müll vor dem Fenster. Sie erhalten ein anderes Zimmer. In Campeche gibt es eine malerische Altstadt. Leider sind wir hier nur eine Nacht. zu wenig, um anzukommen. Frühstück wie zuvor, lange mürrische Gesichter.
Steinalt
Die Ruinen von Uxmal berichten von dem, was bleibt.
Weiter nach Palenque. Hier bleiben wir zwei Nächte im Hotel Mission Palenque. Immerhin. Frühstück: wie überraschend, erneut lange Gesichter. Das Land des Chilis hat keine Gewürze. Am Abend zuvor hatte ich das Hotel auf eigene Faust verlassen, atmete tief durch und mischte mich unter das Volk. Ich brauchte endlich einen starken Kaffee, bestellte mir einen doppelten Espresso con leche in einer Espressobar. Viel zu gefährlich am Abend, sagt mir beim Frühstück am nächsten Tag ein Teilnehmer aus der Gruppe. Kann ich so nicht bestätigen.
Besichtigung der versunkenen Mayastätte im Dschungel, ein Teil läuft durch den Wald (Reiseleiter nennt ihn Dschungel), weil nicht genügend Sammeltaxis zur Verfügung stehen, ist aber in Ordnung, wir sitzen eh zu viel.

Weiterfahrt in die Bergwelt von Chiapas, Besuch der Agua Azul Wasserfälle mit Bademöglichkeit.

Noch mehr Steine
Auf dem Weg nach Chetumal besuchen wir die Mayastätten von Chicanná und Becan. Die Gruppe zeigt beim Anblick der vielen Steine erste Anzeichen von Ermüdungserscheinungen, vereinzelte Personen wirken bei den für uns komplizierten Namen der Mayas und den fremdartigen von Wind und Wetter erodierten Schriftzeichen mental erschöpft, schalten auf Standby.
So was von beschissen

An diesem Tag sind es 485 km mit dem Bus. Abends erreichen wir apathisch und vom vielen Sitzen geschwächt die Landeshauptstadt Chetumal und verbringen eine Nacht im Hotel Fiesta Inn. Nettes Hotel. Frühstück aber wie gehabt. So fad wie schad. Wir teilen das lieblose Buffet mit einer anderen Reisegruppe, stellen uns hinten an. Ich kenne das noch aus DDR-Zeiten. Unsere Gruppe agiert zunehmend aggressiv, begehrt kurz auf, nimmt es schließlich resigniert hin. Schweigt. Der Reiseleiter sagt, er könne nichts machen.
Sie glauben ja nicht, wie wichtig Toiletten auf einer Rundreise sind. Kaum haben wir das Hotel verlassen, suchen die ersten Mitreisenden die Bustoilette auf. Irgendwie scheint das Hotelessen bei dem Leuten durchschlagenden Erfolg zu haben. Ich konnte mich dem Charme der Bustoilette bisher fast vollständig entziehen. Zu früh gefreut. Die letzten Kilometer vor dem Ende der Rundreise erwischt es mich dann auch. Der Magen rumpelt, kneift und zwickt.
Gurgelnde Darmgeräusche verheißen nichts Gutes. Die Zeit drängt auf einmal. Bauchschmerzen kündigen den Durchfall an. Nun wird es eng, denn die Toilette ist besetzt.

Jetzt die gute Nachricht: In dieser brisanten wie alternativlosen Situation verlieren Sie jede Hemmung. Angst, Ekel und gesundheitliche Bedenken. Die Toilette wird gerade frei. Ich fackle nicht lange, stürme hinein. Angenehm überrascht wie geräumig und sauber diese Bustoilette ist. Erst jetzt registriere ich die holprigen Straßenverhältnisse. Wie es scheint muss der Busfahrer immer wieder Hindernissen ausweichen. Ich bin in der Hocke, schwanke nach Links, schwanke nach Rechts, versuche zu erahnen, welche Position mein rückwärtiges Geschütz gerade inne hat. Das wird nicht einfach. Oha…
Talim Tulum

Am letzten Tag geht es mit diversen Umwegen und Zwischenstopps von Chetumal 380 km (Oder sind es mehr?Zeitgefühl verloren!) in Richtung Küste, zunächst an die Lagune von Bacalar. Manche sehnen sich vom langen Sitzen ihre Stützstrümpfe herbei. Der Reiseleiter trumpft mit seinem angelesenen Wissen auf, quält uns mit archäologischen Fachbegriffen, die kaum jemand wirklich interessieren.

Als wäre das nicht schon genug, folgt darauf anschließend die Weiterfahrt zur Maystätte Tulum, direkt an der wunderschönen Karibikküste. Die Gruppe ist jetzt nach der langen Fahrt kurz vor dem Kollaps. Manche Teilnehmer erstarren zur Säule, ja sie verschmelzen geradezu und werden eins mit dieser Grabstätte der Mayas.

Unser Reiseleiter nutzt eiskalt die Gunst der Stunde und verteilt ein Papier zur Bewertung der Reise. Ich glaube, die Gruppe hätte in dieser sensiblen Schwächephase alles unterschrieben.

Im Anschluss nimmt der Bus die Küstenstraße von Tulum nach Cancun. Entlang dieser Schnellstraße liegen - wie auf einer Perlenschnur aufgereiht - die von der Außenwelt abgeschotteten All-Inclusive-Hotels. Die meisten von uns haben einen Anschlussurlaub in einem dieser Touristentempel gebucht. Der Reiseleiter verabschiedet jeden nach und nach mit Handschlag in das gebuchte Hotel, vergewissert sich somit, dass er die einzelnen Teilnehmer und Teilnehmerinnen lebend ins gebuchte Anschlusshotel entlassen hat.
Mir ruft er ein Taxi in die drei Kilometer entfernten Innenstadt von Playa del Carmen. Für den Fahrpreis hätte ich mir einen Chauffer aus dem Hyatt leisten können. Dort bleibe ich für fünf Nächte, kuriere meine schwere Bronchitis aus und harre der Dinge, die jetzt noch kommen.

Weniger ist mehr

Wie am Buffet tendieren die Reiseveranstalter dazu, uns mit Programmpunkten und Locations zu überfrachten. Schon während der Tour rennen wir hoffnungslos verloren unseren Eindrücken hinterher. Während den ewig dauernden Busfahrten ordnet das Gehirn Daten, Fakten und Emotionen, wären da nicht ständig überflüssige weitere sachfremde Informationen durch die Reiseleitung, noch dazu so wohltuend einschläfernd. Wo noch hin, mit all den Namen, Zahlen oder Familienverhältnissen langweiliger wie machthungriger Regenten und Regentinnen. Schon jetzt verwirren die bisherigen Erlebnisse, Sie verwechseln Ortsnamen mit Familienmitgliedern und eine Familie hätten um ein Haar Ihren pubertierenden Balg an der letzten Raststätte vergessen.
Zum Glück erinnert sich eine aufmerksame allein reisende Dame daran, dass Sie und Ihr Mann die Reise am Anfang mit ihrem Sohn gemeinsam antraten. Und auf einmal fragen Sie sich, warum Sie eigentlich die ganze Fahrt über neben Ihrem Mann bzw. neben Ihrer Frau sitzen müssen? Da sind noch eine Menge Plätze frei!!! Auf einmal erscheint Ihnen alles so eng, so nervenaufreibend, so distanzlos vereinnahmend. Luft!
Manchmal ist weniger mehr: weniger Programm, weniger Nähe, weniger Pflicht, weniger Erwartungen. Gönnen Sie sich auch einmal gegenseitige Distanz.
3 Fragen, die Sie sich vorab stellen sollten
1. Warum zahlt man als Alleinreisender noch immer den Einzelzimmerzuschlag?

Na, wenn das keine Abzocke ist. Ich reise überdurchschnittlich viel, buche meine Flüge und stimme die Hotels darauf ab. Ich kann nicht feststellen, dass mir die Hotels einen Einzelzimmerzuschlag berechnen. Ganz selten, dass die angebotenen Doppelzimmer bei Alleinbenutzung günstiger sind. Jedes mal buche ich das Doppelzimmer zur Alleinbenutzung. Der Preis ist der gleiche. Also was soll das mit dem Einzelzimmerzuschlag? Inzwischen kann ich mir als Alleinreisender in den meisten Hotels sogar den Platz im Restaurant aussuchen. Früher bekam ich irgendeinen Tisch in der dunkelsten hinteren Ecke.
Fazit: Fragen Sie doch mal bei den Reiseanbietern oder der Reiseleitung kritisch nach.
2. Werden Touristengruppen kulinarisch und finanziell abgezockt?
Eine überwältigende Auswahl an typische landesüblichem Essen, pikant gewürzt und liebevoll zubereitet erhalten Sie immer - außerhalb der Hotels. Man sollte ja nichts verallgemeinern und sicherlich gibt es die Ausnahmen. Aber für mich sind es eben die Ausnahmen. Mexiko ist so reich und vielseitig an Vor-, Haupt- und Nachspeisen in allen geschmacklichen Nuancen. Aber eben nicht auf dieser Rundreise. Und bei vergleichbaren Reiseanbietern war es nicht anders. Zu groß ist die Angst der Veranstalter vor jenen Gästen, die verzweifelt nach einem Chili con Carne mit weit aufgerissenen Augen und hochrotem Kopf nach Luft schnappen. Vielleicht liegt es ja auch wirklich an den Ansprüchen der Durchschnittstouristen, die immerzu nörgeln. Reisen ja, aber es muss schon deutsches Essen sein. So wie meine Gäste aus der Villa Massai in Kenia, die mir ein schlechtes Rating gaben, weil es in Afrika so heiß ist.

Ähnlich ist es mit den Mittag- oder Abendessen in extra angebotenen landestypischen Restaurants. Auf dieser Reise war es wie auf vorangegangenen auch. Es gab eine Vorauswahl. Bei der Abrechnung waren die Preise höher als in den benachbarten Restaurants, das Personal berechnete sicherheitshalber schon einmal das Trinkgeld selbst (sei so üblich) und verrechnete sich auch noch beim Addieren der Beträge.
In Kuba ist einmal die komplette Reisegruppe aus Protest vom Tisch aufgestanden und zur Überraschung unseres Reiseleiters gegangen. Der hat wirklich nur noch blöde geglotzt. Er hatte es aber auch übertrieben. Jedes mal führte er uns weit abseits der Stadt in Touristenfabrikrestaurants, in der sich 30 andere Reisegruppen gleichzeitig trafen. Das war nur mit viel Humor zu ertragen.
Fazit: Gehen Sie mal aus sich raus und wagen Sie etwas Neues, abseits des Buffets.
3. Warum versprühen einfache Hotels mehr Charme und Atmosphäre.
Man muss sich aber schon fragen, wer bei den Touristikkonzernen die Hotels aussucht. Und bitte nach welchen Kriterien? Schimmel im Zimmer oder Räume, die nach Müll stinken, das geht gar nicht. Nicht für diese Preise. Mexiko ist nicht irgendein Reiseland, an dem es an günstige Alternativen mangelt. Und in meinen Augen wäre die Reiseleitung die richtige Person, solche Zustände durch Rückmeldung an die Auftraggeber zu beenden.
Fazit: Wählen Sie kleine Boutique Hotels mit Charme, spätestens im Anschluss an Ihre Gruppenreise.

Mir scheint, die obligatorischen Auswertungsbögen der Konzerne, die am Ende der Reisen an die Kunden ausgegeben werden, sind wirkungslos. Tip: Nach einer Rundreise sollten Sie Ihr Hotel selbst aussuchen und sich nicht für die Standardbunker der Reiseveranstalter entscheiden. Wagen Sie mehr Individualismus.
Und hier ein Satz für die Reisekonzerne: Wie auf dem Markt: Reisen soll den Appetit der Kunden auf die Kultur, die Menschen und das Land in das sie reisen, wecken. Sonst nichts.

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