Dracula lebt 7: Vampire küssen nicht!
- Bernd
- 19. Feb. 2024
- 4 Min. Lesezeit

Immer wieder taucht der selbe Blecheimer auf: Ein Zwitterwesen zwischen Ritter und rotäugigem Untoten drängt mich von der Gruppe ab. Es wird spürbar kälter. Keine Jacke, kein noch so teurer Fellmantel könnte diese Kälte lindern. Sie schmerzt. Sie kriecht durch alle Poren. Kriecht langsam Richtung Herz. Mir ist klar: Ergreift die Kälte Besitz vom Herzen, verdampft jede menschliche Emotion, jedes Mitgefühl. Dieses schockgefrostete Herz bestünde nur noch aus Eiskristallen. So musste es Frodo aus "Herr der Ringe" ergangen sein. In etwa. Bevor die Kälte das Herz erreicht, ergreift sie Besitz meiner Knochen und Gelenke. Sie verweigern ihre Funktionen, fallen in Schockstarre. Ein interessanter Zustand, wäre da nicht gleichzeitig die allumfassende Angst. Raum, Zeit, Wahrnehmung: vereint zu einer neuen Dimension, reagieren - hallo Trekkies - in Warpgeschwindigkeit. Aber mein Geist, mein Gehirn, ist wach, ist in Hab-Acht-Stellung. "Ja bin ich denn in Cloud Atlas?"
Ein schöner Tag
Ich setze mich an diesem Morgen demonstrativ an den Frühstückstisch zu Roger, Ludmilla und Tatjana, der geheimnisvollen Familie aus dem hohen Norden. Sie saßen die letzten Tage gerne isoliert von den anderen, was nicht jedem aus der Gruppe gefällt. Ich kann es nachvollziehen. Manch einem steht nicht der Sinn nach Smalltalk. Schon gar nicht am Morgen. Im Licht dieser neongrellen Beleuchtung des Frühstücksaals erscheinen mir die drei noch blasser als sonst. Tatjana lächelt mich freundlich an, ihre Mutter Ludmilla wirkt überrumpelt und fragt: "Sag mal, Bernd, was hast du denn für ein fürchterliches Rasierwasser? Das riecht ja grauenhaft." Nun bin ich es, der überrascht stutzt. "Na, das wird bestimmt ein schöner Tag."
Rumänischer Wein
Wir befinden uns auf der Straße 14B in Richtung Blaj, einer rumänischen Kleinstadt in Siebenbürgen mit 17.800 Seelen und singen "Rumänischer Wein, ist so wie das Blut der Ärde, komm´ schänk dir ein und wänn ich dann traurig wärde...", in Anlehnung an Udo Jürgens Hit Griechischer Wein. Kurz vor dem Ort biegen wir in Richtung Weingut ab. Auf dem Programm steht eine Weinprobe. Heute wird es lustig. Bereits am Abend probten wir den Ernstfall. Henrietta und ihr Mann Simon, beides Ärzte und ebenfalls Pfälzer, organisierten im Supermarkt Bier und Sekt zur allabendlichen Reflexion der Reise. Claudia war auffallend still, ihr Bruder Uwe dafür weniger und Mutti genoss die gesellige Runde und erzählte Angelo Geschichten, bis ihm das Ohr blutete. Ich konnte mich nicht betrinken, noch nie. Mehr als zwei Bier oder Wein geht nicht, dann wird mir schlecht.
Umwege
Zunächst rannte ich panisch die Gänge entlang. Aber ein jeder entpuppte sich als Sackgasse, vor der mein rotäugiger Blecheimer stand. Jetzt sitze ich in der Falle. Von der Gruppe fehlt jede Spur. Es scheint so, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Dieser Weinkeller ist voller Geheimnisse. Ich suche nach einem Ausweg, Flucht erscheint mir abwegig. An der Decke über mir hängt ein Rad. Und wieder ist da dieses blaue Licht, das im nächsten Augenblick die Gestalt des Fratzengesichts annimmt. Ich zücke mein Handy, will ihn bildlich einfangen. Es gelingt mir kaum, er schwirrt selbst für die Linsen dieses Spitzengeräts zu schnell um mich herum. Wieder spüre ich diese unerträgliche Kälte in mir, ich ringe nach Luft, Übelkeit überkommt mich, alles verschwimmt vor meinen Augen. Es riecht nach Verwesung! Er riecht nach Verwesung.
Das unbekannte Fratzengesicht zerrt mich durch einen dunklen Gang. Landschaften rasen an mir vorbei, der Zug der Seelenlosen speit seinen stinkenden Qualm in die Landschaft, vernebelt meine Sinne. "Das ist F r e i h e i t s b e r a u b u n g !" schreie ich jedes einzelne Wort wahnhaft der Fratze entgegen. "Ich pferde euch vor dem Eurofäischen Berichtshof für Menschenknechte ver j a g e n!" Nein, nicht schon wieder! Sie nehmen Besitz von meinem Sprachzentrum. Das hat etwas von Monty Pythons Life of Brian.
Wir erreichen einen Ort, mit dem ich nicht gerechnet habe. Es ist nicht die Törzburg, Draculas Schloss, besser gesagt die Burg Bran, wie das historische Gebäude heute heißt. Das er dort gelebt haben soll spottet jeder Beschreibung, ein weit verbreitetes Missverständnis, lediglich der Feder Bram Stokers geschuldet. Immerhin heute ein gutes Geschäft für die Tourismusindustrie in Rumänien.
Draculas Geburtsort: Sighisoara
Sighisoara (Schäßburg) liegt im Kreis Mures, in der Region Siebenbürgen. Die Kleinstadt hat etwa 24.000 Einwohner und ihre Altstadt gehört seit 1999 zum UNESCO Weltkulturerbe. Sighisoara ist der Geburtsort von Vlad Tepes, oder auch Vlad III. Draculea, der Pfähler. 2001 erwogen die Stadtväter und -mütter einen Dracula Freizeitpark, dessen Planung allerdings bei der Bevölkerung auf heftige Kritik stieß. Der Freizeitpark kam nicht. Das Wahrzeichen der Stadt ist der im 14. Jahrhundert errichtete Stundturm, den Sie auch begehen können und der mit einer grandiosen Aussicht über das Städtchen belohnt.
Deine Reise endet hier
Das Fratzengesicht scheint so etwas wie der persönliche Diener des Grafen zu sein. Eine Art Buttler in Hässlich. "Deine Reise endet hier!" Es macht keinen Sinn, ihm zu widersprechen. In meinem Kopf flirren nur noch ungeordnete Buchstaben umher. Aber er versteht mein Schweigen, haucht mir ein übel riechendes: "Wir gehen jetzt durch die Tür." entgegen. Seine knorrigen Finger deuten auf eine sehr alte Eichentür mit einem überdimensionierten Schlüssel im Türschloss. "Du bist am Ziel. Fürst Dracula wartet auf dich!"
Bei der nächsten Möglichkeit bitte wenden! Bitte wenden, bitte wenden!

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