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Dracula lebt 4: die Burg Gottes

  • Bernd
  • 8. Jan. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Die Jugend

Diese Zeit ist entscheidend, wegweisend.

Das Alter.

Diese Zeit ist entscheidend, wegweisend.

Dazwischen liegt

Belanglosigkeit.


Wir sind auf dem Weg zum Kloster Moldovita, eines der zahllosen rumänisch orthodoxen Klöster. Kein gewöhnliches. Es gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. 1532 von Petru Rares gestiftet, ist Kloster, Monument, Festung gegen die Osmanen aus dem Osten. Das Kloster ist die Burg Gottes, mit beeindruckenden Außenmalereien über die Eroberung Konstantinopels, dem heutigen Istanbul und dem Stammbaum Jesus Christus.


Außenmalereien an der Klosterkirche Moldovita.
Außenmalerei Klosterkirche Moldovita

Claudia und Uwe sind während der Busfahrt zum Kloster rührig um meinen seelischen Zustand bemüht, glauben mir immer noch nicht, dass ich mir keine Halluzinogene eingeworfen habe. "Wir verstehen das, ist ein bisschen viel Religion. Oder sind es noch die Auswirkungen von gestern Abend?" Er spielt auf unser allabendliches Trinkgelage mit Angelo und anderen der Gruppe an. Ich winke ab. Claudia lüftet endlich das Geheimnis der Inschrift unter der Uhr: "VERBUM DOMINI MANET IN AETERNUM. Das Wort Gottes bleibt für immer!" Das Kloster Moldovita, denke ich. Das ist das nächste Puzzleteil.


Schwester Svenja, der Fels des Klosters


Alte Klostermauern, rechts eine Zypresse, Blick nach oben in den blauen Himme.l
Leben, Licht

Schwester Svenja lebt seit vielen Jahrzehnten im Kloster. Sie ist eine resolute Person, die es nicht duldet, dass Touristen durch ständiges Fotografieren und Plappern ihre Führung, die sie auf Deutsch hält, stört. Sie studierte in Deutschland, in der Nähe Münchens und war in ihrem ersten Leben Lehrerin. Ihre Rundgänge durch das Klostergelände sind voller Tatendrang, voller Leidenschaft. Immer wieder haut sie Sätze wie: "Die zwei wichtigsten Eigenschaften des Lebens sind Vergebung (sie hebt den linken Arm, winkelt ihn an) und Liebe (sie hebt den rechten Arm, winkelt ihn an). Ohne Vergebung gibt es keine Liebe, und ohne Liebe kann man nicht fliegen!", sie macht mit beiden Armen lustige Flügelschläge. Das sieht witzig, liebenswürdig, aus, wie sie in ihrer schwarzen Nonnenkutte mit beiden Armen flattert. Wie ein Pinguin, der zu fliegen versucht.






Der christliche Glauben spielt eine große Rolle in Rumänien. Er ist omnipräsent. Überall stehen rumänisch orthodoxen Kirchen mit ihren anmutigen byzantinischen Kuppeln. Fast jedes Dorf hat ein Gotteshaus. Ihre Ikonenmalereien wirken fast naiv, so schlicht sind sie. Ich beneide fast die Männer und Frauen, die beseelt von ihrem Glauben auf den Knien irgendwelche reich verzierten Metallplatten abknutschen. Sie, die Gläubigen, tragen ihre Bitten, Ängste, Sehnsüchte und Wünsche vor, in der Hoffnung, dass ihnen die göttliche Macht die Verantwortung für das eigene Leben abnimmt, ihre Sünden vergibt und sie am Ende ihrer Qualen mit dem ewigen Leben im Paradies belohnt. Wie scheinheilig, simpel, wie berechnend. In allen Religionen.

Fratze, Maske, Gesicht in der Dunkelheit. Aus den Augenhöhlen und dem geöffneten Mund leuchtet es Rot.
Angst, Dunkelheit

Alles, was Schwester Svenja vorträgt, erscheint logisch. Sie verfügt über ein unglaubliches Wissen in ihrem Fachgebiet. Auch ihre Antwort auf meine Frage, weshalb der allmächtige Gott es zuließ, dass diese für die orthodoxe Kirche so wichtige antike Metropole Konstantinopel in die Hände dieser Ungläubigen fallen konnte. "So sei das eben, wenn die Menschen vom Glauben abfielen. Aber das ist nicht das Ende!" Ab und zu macht sie markante Anspielungen auf ihre männlichen Kollegen, spricht von jenen wehrhaften Nonnen, die zur Zeit des Kommunismus für den Erhalt der Klöster und die vielen Kunstwerke kämpften.


"Männer", sie meint dabei ihre opportunen Kollegen, "brauchen eben starke Frauen im Rücken; aber Frauen" - jetzt kommt´s - "Frauen brauchen keine Männer von hinten!" Ihr harter osteuropäischer Akzent verstärkt ihre Aussage. Ist das nicht witzig, diese bewusste Anspielung an ihre schwanzgesteuerten Kollegen? Sie ist für mich erfrischend lebendig. Keine Selbstverständlichkeit für Gläubige, die griesgrämig auf das Leben nach dem Tod warten.


Vorbereitung auf das Unausweichliche


Erst jetzt verstehe ich die Hinweise. Die schwarze Kirche, das Kloster Moldovita. Sie stehen für eine universelle Wahrheit, dem Licht in uns, dem Schatten in uns. In jedem von uns. Es bleibt nicht viel Lebenszeit. Sie rinnt durch deine Sanduhr. Zu spät für Korrekturen. Du kannst Heiliger spielen, Mönch oder Nonne werden, anstatt deine Lebenszeit für Geld, Familie und Karriere - genau in dieser Reihenfolge - zu verschwenden. Folgerichtig wirst Du feststellen: alles nutzlos. Irgendwann kommt der Punkt im Leben, dieser entscheidende Punkt zermürbender Reue: Du trauerst Deinen ungenutzten Chancen hinterher, der Illusion, nach einem anderen erfüllten Leben, das es nie gab. Junger Mensch, alter Mensch. Immerzu unter Deinen Möglichkeiten gelebt. Dich ruft das letzte Abendmahl. Bist Du hungrig? Hast Du reserviert? Auf geht es, zu Deiner letzten Reise! Deine kümmerlichen, erbärmlichen Antworten kannst Du dir sparen. Du wirst ohnehin nicht mehr gefragt. Ignoriere jetzt endlich Deine Angst. Sie ist irrelevant. Hast Du gelebt?


Jetzt ist es Angelo, der sich über mich beugt. Der Mann mit den italienischen Wurzeln und dem lustigen rheinländischen Akzent. "Das geht wieder weg! Ist mir auch schon passiert. Hab damit vor einem Jahr aufgehört!"






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