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Dracula lebt 3: Suche mich

  • Bernd
  • 30. Dez. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Bis auf Uwe hatte niemand der Gruppe das Hotel in der vergangenen Nacht verlassen. Angeblich wollte er sich hier nur umsehen, vielleicht ein oder zwei Bierchen holen. Dabei ist es nicht geblieben. Eine mysteriöse Unbekannte steckte ihm unterwegs ein Bild zu. "Gib es dem Langen aus deiner Gruppe. Er soll mit der Suche hier beginnen!", befahl sie ihm und verschwand im dichten nebelverhangenen Wald. Scheinbar hat hier einer das gesteigerte Bedürfnis, gefunden zu werden. "Finde die Uhr und du findest den Hinweis!"


Kirchturmuhr, Zifferblatt der Schwarzen Kirche, Brasov,  Rumänien
VERBUM...

Kronstadt ist Brasov

Unsere erste Station des heutigen Tages ist die Altstadt von Brasov, das ehemalige Kronstadt. „Hier hat sich eine kleine Programmänderung ergeben!“,Lucia sprüht vor Energie. Sie habe einen kulturellen Leckerbissen für uns. Die Gruppe durchleidet noch den Selbstfindungsprozess. Ihre Begeisterung für kulturelle Leckerbissen plätschert noch akademisch verhalten dahin.


Unser Fahrer ist ein Virtuose seines Fachs. Durch die engsten Straßen leitet er seinen Bus, wendet das monströse Fahrzeug, wo andere schon mit einem schnöden PKW aufgeben. Wir steigen aus.


Enge Gasse, links und rechts hohe Mauern.
Nichts für Menschen mit Platzangst.

Jetzt ist Lucia in ihrem Element, nicht mehr zu stoppen: "Kronstadt, im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden unter dem Namen Corona (Wie visionär!) gegründet, ist heute eine rumänische Großstadt mit etwa

250 000 Einwohner. Es war eines der Zentren der Siebenbürgen Sachsen. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Deutschen die bevölkerungsreichste Gruppe. Wir werden nun gemeinsam in die Altstadt laufen. Toiletten finden sie hier auf der linken Seite..."

Toilettengänge sind bei älteren Touristen ungemein wichtig. Es soll ja unterwegs nicht tropfen.


"Wir laufen nun in die Altstadt hinein. Hoffentlich haben sie keine Platzangst. Denn wir müssen durch die Strada Sforii, eine der engsten Gassen der Stadt." Ich war gerade dabei, abzuschalten, als sie mir Gänsehaut einjagte und sagte: "Wie versprochen, kommt hier eines der Highlights: Die schwarze Kirche, das wichtigsten historischen Gebäude der Stadt! Grundsteinlegung dieses wunderschönen gotischen Bauwerks war 1383. Es ist der Jungfrau Maria geweiht, brannte 1689 ab und hinterließ nur geschwärzte Mauern, daher der Name Schwarze Kirche."


Die schwarze Kirche


Hatte Dracula seine gebleichten Finger im Spiel, als die Kirche abbrannte? Er, oder seine Anhänger? Ich bin mir sicher: Hier ist die erste Spur Draculas zu finden!


Gotische Kirche in Kronstadt, Rumänien, bekannt unter Die schwarze Kirche.
Die Uhr! VERBUM DOMINI MANET IN AETERNUM


VERBUM DOMINI MANET IN AETERNUM


Latein ist nicht mein Fachgebiet. Uwe kommt auf mich zugestürmt, zeigt auf die Kirchturmuhr. Ich frage ihn, ob er das Lateinische übersetzen könne. Er verneint. "Aber Claudia, meine Schwester. Sie unterrichtet Latein!" Perfekt. Uwe macht diese Reise zusammen mit Mutter und Schwester. Wie ich kommen sie aus der schönen Pfalz. Das verbindet. Lucia ruft die Gruppe zusammen. "Bevor wir die Kirche betreten beachten Sie bitte die sechs Tonnen schwere Glocke im Glockenturm. Sie ist ein Meisterwerk. Kommen Sie, kommen Sie! Wir gehen ins Innere!"


Orientalische Gebetsteppiche hängen an den Emporen in der schwarzen Kirche. in Rumänien.
Orientalische Gebetsteppiche im Innern der Kirche.

Historische Kirchen üben eine überwältigende Faszination auf mich aus. Gleichzeitig haben sie etwas Düsteres, fast Bedrohliches, so mystisch, kalt, dunkel. Interessanterweise ist diese hier mit einer Vielzahl von Teppichen ausgestattet, die, an den Emporen hängend, eigene Geschichten erzählen. Als hätte Lucia meine Gedanken erraten: "Hier im Innern sehen Sie wunderschöne orientalische Gebetsteppiche, von sächsischen Kaufleuten zusammengetragen. Sie unterhielten regen Handel mit den Türken. Und beachten Sie bitte auch die Orgel. Mit 3993 Pfeifen, ihren 4 Manualen mit je 56 Tasten, dem Pedal mit 27 Tasten und 63 klingenden Registern, ist sie die größte mechanische Orgel in Rumänien."


Bei so vielen Zahlen schalte ich ab. Uwe und Claudia gesellen sich zu mir. Ich komme so nicht weiter. Wo soll der Hinweis sein? An der Uhr? In den Teppichen verwoben? Soll ich die Orgel zerlegen? Hier ist kein Hinweis.



Mystischer nebliger raum, blutrotes Licht und blaues Licht in der Mitte.
Ich hab` nicht geraucht!

Die Gruppe war schon draußen. Claudia will sich noch einmal die Inschrift unter der Kirchturmuhr ansehen. Ich bin allein. Meine Blicke schweifen durch das Kirchenschiff, hinauf zur Orgel, die Kanzel im Vordergrund, dann wieder hinüber zu den Emporen. Über 200 orientalische Teppiche lagern in diesen Gemäuern.


Meine Hände ertasten die Wände, es fröstelt mich beim Anblick dieser alten historischen Steine. Ich erreiche eine in blutrotes Licht getauchte Nische. Rauch steigt auf, umhüllt mich. Ein blaues Etwas ruft mich, zieht meinen willenlosen Körper in seinen Bann. Ein Gefühl von Übelkeit steigt in mir hoch. Mein Magen schwebt, wie damals in Pattaya (siehe Blog über Pattaya). Zeit existiert auf einmal nicht mehr. "ABER ICH HAB` DOCH ÜBERHAUPT KEIN COOKIE MIT HASCHISCH GEGESSEN!" schreie ich mit aller Kraft lautstark dem eisigen Blau entgegen. Nur fort von hier. Nur vort! Feg fon hir! (Oh bitte nicht! Das Blau ergreift Besitz von meiner Grammatik.)



Ich wende den Blick ab, reiße mich gedanklich los! Renne in Richtung Ausgang. "Mehr Licht!", (angeblich die letzten Worte Goethes auf dem Sterbebett), rufe ich. "Liiiiiiicht!!!!!"


Claudia öffnet das Portal, stutzt, als sie mein panisches Gesicht zur Fratze mutieren sieht. Überrascht antwortet sie: "Ich habe die lateinischen Worte übersetzt. Wir können aber auch warten, bis das Gras nachlässt, das du geraucht hast."

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